Rz. 267
Ähnliche Probleme ergeben sich bei dem vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Abberufung eines Geschäftsführers. Für die Zulässigkeit vorläufigen Rechtsschutzes ist maßgeblich, ob die Abberufung eines Geschäftsführers allein durch Beschluss erfolgen kann oder ob ein Klageverfahren erforderlich ist.
aa) AG
Rz. 268
Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ist gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG solange vorläufig wirksam, bis ihre Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Wird ein solcher Beschluss gefasst, besteht somit für die Gesellschaft selbst kein Interesse am einstweiligen Rechtsschutz. Demgegenüber kann der abberufene Vorstand ein Interesse daran haben, die vorläufige Wirkung des Abberufungsbeschlusses zu suspendieren. Dies kann er grundsätzlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreichen. Dabei muss der Vorstand zumindest auch behaupten, der Abberufungsbeschluss fehle oder sei formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen.
Rz. 269
Es reicht insoweit nicht aus, wenn lediglich geltend gemacht wird, ein wichtiger Grund für die Abberufung liege nicht vor. Denn die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses knüpft nur an bestimmte Formalien an, wie die ordnungsgemäße Einladung und Durchführung der vorangehenden Aufsichtsratssitzung sowie die Stimmenmehrheit für den zu fassenden Abberufungsbeschluss.
bb) Personenhandelsgesellschaften
Rz. 270
Die Geschäftsführung bzw. die Vertretung der Personenhandelsgesellschaften liegt in aller Regel in Händen der Gesellschafter. Der Entzug der Geschäftsführung- bzw. Vertretungsbefugnis setzt gem. §§ 117, 127 HGB eine Gestaltungsklage voraus. Daraus ergibt sich allenfalls für die Gesellschaft die Notwendigkeit, ihrem Geschäftsführer vorläufig die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu entziehen. Als Ausnahme vom Prinzip der Selbstorganschaft kann dabei im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes – auch wenn die Gesellschaft lediglich einen Vertreter bzw. Geschäftsführer hat – die Geschäfts- und Vertretungsbefugnis vorläufig auch einem gesellschaftsfremden Dritten übertragen werden, soweit dies notwendig ist.
cc) GbR
Rz. 271
Bei der GbR wird im Unterschied zur Personenhandelsgesellschaft die Entziehung der Geschäftsführung mit der Bekanntgabe an den betroffenen Gesellschafter bzw. Geschäftsführer wirksam. Der Streit über die Wirksamkeit des Entziehungsbeschlusses kann im einstweiligen Rechtsschutz mit einer Regelungsverfügung von beiden Seiten vorläufig geklärt werden.
dd) GmbH
Rz. 272
Die Rechtslage im vorläufigen Rechtsschutz bei Abberufung eines Geschäftsführers in der GmbH ist komplex. Grundsätzlich setzt die Abberufung des Geschäftsführers gem. §§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus.
Rz. 273
Ohne einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung oder vor einer solchen Gesellschafterversammlung kann die Gesellschaft dem Geschäftsführer ein vorläufiges Tätigkeitsverbot im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur auferlegen, solange die entsprechende Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nicht möglich ist. Meist wird allerdings nach der Satzung eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren möglich sein.
Rz. 274
Ob der Geschäftsführer im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes einen Abberufungsbeschluss verhindern kann, hängt von seiner Stellung in Bezug auf die Gesellschaft ab. Ein Fremdgeschäftsführer kann stets ohne wichtigen Grund bzw. ohne sachlichen Grund jederzeit abberufen werden. Er kann deshalb auch im Vorfeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Abberufungsbeschluss nicht verhindern. Diese Möglichkeit hat lediglich der mehrheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer und derjenige Geschäftsführer, dessen freie Abberufbarkeit durch Gesellschaftssatzung eingeschränkt ist, § 38 Abs. 2 GmbHG. Das kann der Fall sein, wenn dem Geschäftsführer ein Sonderrecht auf Geschäftsführung zugestanden wird oder wenn der Widerruf auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Geschäftsführers in der Satzung beschränkt ist. Auch dann ist präventiver Rechtsschutz gegen den Abberufungsbeschluss nur möglich, wenn das Abwarten des Beschlusses für den Geschäftsführer schwere irreparable Schäden bedeuten würde.
Rz. 275
Ist in der Gesellschaft ein Abberufungsbeschluss gefasst worden, richten sich die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes nach den Beschlussfolgen. Ein nichtiger Abberufungsbeschluss hat keine Rechtswirkung. Infolgedessen kann die Gesellschafterversammlung ihm auch nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Wirksamkeit verhelfen. Der Geschäftsführer muss deshalb nicht aktiv werden. Ihm muss jedoch im Wege...