Rz. 67
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die erleichterte, sachgrundlose Befristung gänzlich unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes, auch sachlich gerechtfertigtes, oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies gilt auch dann, wenn das neue Arbeitsverhältnis nur für die Dauer von maximal sechs Monaten befristet werden soll. Der umgekehrte Fall, der Anschluss eines sachlich gerechtfertigten befristeten Arbeitsvertrags an einen nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG befristeten, ist zulässig.
Rz. 68
Bis 2011 wurde das Verbot der "Zuvor-Beschäftigung" nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG von der herrschenden Auffassung sehr weit ausgelegt: Jedes zeitlich noch so entfernt liegende vorangegangene Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, gleich ob befristet oder unbefristet, gleich ob ein Sachgrund vorgelegen habe oder nicht, sollte "lebenslänglich" eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ausschließen. Die sachgrundlose Befristung sei unzulässig, wenn irgendwann mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
In seinem Urt. v. 6.4.2011 hat das BAG entschieden, dass eine "Zuvor-Beschäftigung" i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht vorliege, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis länger als drei Jahre zurückliege. Dies ergebe sich aus einer am Sinn und Zweck orientierten, verfassungskonformen Auslegung, da die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten regelmäßig nicht mehr bestehe, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre lägen. Dieser Zeitraum entspreche auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB zum Ausdruck komme. Zum Teil haben sich die Landesarbeitsgerichte dieser BAG-Rechtsprechung angeschlossen, zum Teil wurde das Urteil von Gerichten und der Literatur aber auch kritisiert.
Das BVerfG erklärte die Rechtsprechung des BAG zum "Zuvor-Beschäftigungs-Verbot" jedoch mit Beschl. v. 6.6.2018 für gegenstandslos. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sei demnach grundsätzlich verfassungskonform und müsse nicht einschränkend ausgelegt werden. Das BAG hat seine bisherige Rechtsprechung mit Urt. v. 23.1.2019 sodann ausdrücklich aufgegeben und ausgeführt, dass das Verbot der sachgrundlosen Befristung keiner festen zeitlichen Begrenzung unterliege. Einen Vertrauensschutz hat das BAG nicht gewährt, da die Änderung der Rechtsprechung hinreichend begründet sei und sich – schon wegen ihrer verfassungsrechtlichen Begründung – im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte.
Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis: Eine sachgrundlose Befristung ist nunmehr nicht mehr zulässig, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Vielmehr ist eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich unwirksam, wenn der Arbeitnehmer jemals zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber gestanden hat. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. In solchen Fällen wäre ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das kann etwa bei einer geringfügigen Nebenbeschäftigung während der Schul- und Studien- oder Ausbildungszeit sein.
Das BVerfG hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung "sehr lang" zurückliegt, "ganz anders" geartet oder "von sehr kurzer" Dauer war. Dies ist unter Berücksichtigung des Grunds für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, einzuschränken sowie unter Berücksichtigung der vom BVerfG genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls. Liegt zwischen den Befristungen ein Zeitraum von acht Jahren oder 15 Jahren, soll jedenfalls noch keine "sehr lange" zurückliegende Vorbeschäftigung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG gegeben sein. Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des "Zuvor-Beschäftigungsverbots" dennoch gebieten könnten. Der 7. Senat des BAG zieht die typische Dauer eines Erwerbslebens sowie die den Bestandsschutz betreffende Regelung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB als Maßstab heran. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung ca. 40 Jahre umfasse, sei bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers mehr als ein halbes...