Rz. 45
Zu den Erblasserschulden zählen alle Verbindlichkeiten, die der Erblasser vor seinem Tod eingegangen ist. Dies sind zunächst alle Schulden des Erblassers, wie beispielsweise unbezahlte Rechnungen, Darlehen, Bankschulden oder Beitragsrückstände. Hierbei ist darauf zu achten, in welcher Höhe die Schulden den Erblasser selbst treffen und inwieweit er die Schulden auf andere abwälzen kann oder ihm gar ein Erstattungsanspruch zusteht.
Ist beispielsweise noch eine offene Arztrechnung vorhanden, so stellt dies eine Nachlassverbindlichkeit dar, wobei aber gegebenenfalls ein vorhandener Anspruch gegenüber einer Krankenversicherung in Abzug zu bringen ist. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass bei gemeinsamen Schulden von Ehegatten, beispielsweise ein gemeinsam aufgenommener Kredit, für die sie gesamtschuldnerisch haften, grds. nur die Hälfte, also der im Innenverhältnis auf den Erblasser fallende Teil, in Abzug zu bringen ist. Es ist aber zu prüfen, ob ausdrücklich oder konkludent eine andere Vereinbarung nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB vorlag.
Rz. 46
Zu den Erblasserschulden zählen insbesondere auch alle noch offenen Steuerschulden, soweit sie in der Person des Erblassers entstanden sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Steuer bereits veranlagt wurde.
Rz. 47
Fraglich ist, ob rückständige Einkommensteuerschulden auch dann voll in Abzug zu bringen sind, wenn die Ehegatten gemeinsam veranlagt wurden, aber nur der Erblasser gearbeitet hat. Der BGH hat für den Fall der gemeinsamen Veranlagung entschieden, dass dies nicht zur Folge hat, dass beide Ehegatten gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zu gleichen Teilen die Steuern tragen müssen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der güterrechtlichen Beziehung der Ehegatten zueinander. Denn ebenso getrennt wie das Vermögen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft sind auch die Schulden zu behandeln. Deshalb hat jeder Ehegatte für die auf seine Einkünfte fallenden Steuern selbst aufzukommen. Hat also, wie im genannten Fall, lediglich der Erblasser Einkünfte gehabt, sind die Ehegatten aber gemeinsam veranlagt worden, dann sind die noch offenen Steuerschulden insgesamt als Passiva in Abzug zu bringen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich diese voll entgegenhalten lassen.
Rz. 48
Nicht als Nachlassverbindlichkeit anzusetzen ist jedoch die Erbschaftsteuerschuld. Gleiches gilt nach Ansicht des BGH für die bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs nach § 16 EStG anfallende Ertragsteuer. Die für den Veräußerungsgewinn anfallende Ertragsteuer kann jedoch bei der Bewertung des Unternehmens zu berücksichtigen sein.
Rz. 49
Auch die Ersatzforderungen des Sozialhilfeträgers nach § 102 SGB XII sind abzugsfähige Erblasserschulden.
Rz. 50
Ebenso zählen Verbindlichkeiten, die aus unerlaubter Handlung entstanden sind, zum Passivbestand des Nachlasses. Zu beachten ist, dass dingliche Belastungen, insbesondere Grundschulden und Hypotheken, als zweifelhafte Verbindlichkeiten gemäß § 2313 Abs. 2 S. 1 BGB unberücksichtigt bleiben, wenn und solange ihre tatsächliche Verwirklichung unsicher ist.
Rz. 51
Problematisch ist, inwieweit eine bestehende Unterhaltsverpflichtung des Erblassers eine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Vom Aktivnachlass in Abzug zu bringen sind diejenigen Unterhaltsansprüche gegen den Erblasser, die durch den Tod nicht erloschen sind. Hierunter fällt nach h.M. beispielsweise der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach § 1586b BGB, allerdings begrenzt auf den fiktiven, nicht erhöhten Pflichtteil des Ehegatten, die Ansprüche der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l BGB, dagegen nach h.M. nicht der Unterhaltsanspruch einer werdenden Mutter nach § 1963 BGB.
Schwierigkeiten bereitet auch die Berücksichtigung von Bürgschaftsverbindlichkeiten bei der Berechnung des Nachlasswertes. Nach der Rechtsprechung sind Bürgschaftsverbindlichkeiten bei der Berechnung des Nachlasswertes als zweifelhafte Verbindlichkeiten gemäß § 2313 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB so lange außer Betracht zu lassen, wie offen ist, ob und in welcher Höhe der Bürge überhaupt in Anspruch genommen wird.
Rz. 52
Die zweite Kategorie der Nachlasspassiva umfasst die Erbfallschulden. Dies sind grundsätzlich diejenigen Verbindlichkeiten, die durch den Tod des Erblassers selbst entstehen. Hierunter fallen im Einzelnen die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB), die Kosten für das Grabmal und die Grabstätte sowie die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten. Zu den Beerdigungskosten zählen nach der Rechtsprechung aber nicht die Kosten der Grabpflege. Diese können bei der Pflichtteilsberechnung nicht in Abzug gebracht werden. Ebenfalls als Abzugsposten zu berücksichtigen sind die Kosten der Ermittlung der Nachlassgläubiger sowie die Kosten der Wertermittlung des Nachlasses nach § 2314 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt auch für die Kosten einer etwaigen Nachlassverwaltung oder Nachlasssicherung.
Rz. 53
Die Kosten einer Testamentsvollstreckung sind nach der...