Rz. 88
Da im Rahmen der Testamentsvollstreckung unter anderem auch die Rechtsverhältnisse am Nachlass, d.h. die Rechtsverhältnisse der Erben untereinander sowie die Rechtsverhältnisse zwischen den Erben und den Nachlassgläubigern zu regulieren sind, stellt die Testamentsvollstreckung in aller Regel mehr als eine Tätigkeit rein wirtschaftlicher Art dar.
Es handelt sich meist um eine Rechtsbesorgung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG. Diese Rechtsbesorgung erfolgt – wenn sie durch ein Kreditinstitut oder eine Bank ausgeübt wird – auch gewerbsmäßig. Nach bisheriger Auffassung unterfiel die Testamentsvollstreckung daher stets dem Erlaubniszwang. Das heißt, die Ausübung der Testamentsvollstreckung wäre erst nach Erteilung der Erlaubnis der zuständigen Behörde möglich. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH liegt kein Erlaubniszwang nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz vor und eine Testamentsvollstreckung durch Banken ist zulässig.
In der Regel wird aber an die Bestellung eines Kreditinstituts als Testamentsvollstrecker vor allem in solchen Fällen gedacht werden, in denen für eine sinnvolle Verwaltung des Nachlasses bankspezifisches Spezialwissen erforderlich ist. In solchen Fällen bietet es sich an, die Bank lediglich als Mittestamentsvollstrecker einzusetzen. Auch die Einsetzung als Mittestamentsvollstrecker ist zwar grundsätzlich genehmigungsbedürftig, dies kann jedoch dadurch umgangen werden, dass die Aufgaben von vornherein auf rein bankspezifische Tätigkeiten beschränkt werden. Dann liegt insoweit lediglich eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art vor, für die eine Genehmigungspflicht nicht besteht.
Hinsichtlich der Haftung bei einer von einem Kreditinstitut zulässigerweise betriebenen Testamentsvollstreckung ergibt sich die Besonderheit, dass verschärfte Sorgfaltsanforderungen an diese Tätigkeit gestellt werden, die zu einer gegenüber der normalen Testamentsvollstreckerhaftung verschärften Haftung führen.
Rz. 89
Trotz der neueren Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von Testamentsvollstreckungen durch Banken und Steuerberater und des Rechtsdienstleistungsgesetzes dürfte zumindest im Bereich der Banken die eigentliche Problematik nur verlagert sein. § 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG regelt ausdrücklich, dass Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Testamentsvollstreckung erbracht werden, als erlaubte Nebenleistungen gelten.
Bei Banken handelt es sich aber um juristische Personen, die durch ihre Organe vertreten werden. In der Praxis werden wohl kaum die einzelnen Bankvorstände die eigentliche Testamentsvollstreckertätigkeit selbst durchführen, sondern sich durch Angestellte des Bankunternehmens vertreten lassen. Dies wird aber nur in seltenen Fällen zulässig sein. Insofern ist das Substitutionsverbot zu beachten. Der Testamentsvollstrecker darf nämlich auch einzelne Obliegenheiten im Zweifel nicht auf Dritte übertragen (§ 664 Abs. 1 S. 2 BGB; sog Substitution oder Vollübertragung im Gegensatz zur bloßen Zuziehung eines Gehilfen nach § 664 Abs. 1 S. 3 BGB). Das Substitutionsverbot soll dann nicht gelten, wenn die Wahrnehmung durch Dritte nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung gemäß § 2216 Abs. 1 BGB bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Verkehrssitte unbedenklich ist. Die Konstituierung des Nachlasses bzw. Erstellung des Nachlassverzeichnisses ist höchstpersönliche Uraufgabe und eben nicht nur bloße Einzelaufgabe des Testamentsvollstreckers und dürfte somit nicht ohne weiteres auf Dritte – auch nicht per Generalvollmacht – übertragen werden. Andernfalls würde er wesentliche Bereiche der Testamentsvollstreckung aus der Hand geben. Des Weiteren dürfte es sich bei den eigenen Angestellten der Bank auch nicht um "selbstständige Vertragspartner" handeln, denen man ansonsten Aufgaben übertragen dürfte.
Zukünftig hat also der Rechtsberater bei Testamentsvollstreckung von Banken besonders auf das Substitutionsverbot zu achten. Bei einem Verstoß ist dann ein Entlassungsantrag nach § 2227 BGB zu stellen.
Doch auch wenn kein Verstoß gegen das Substitutionsverbot gegeben ist, sollte zukünftig darauf geachtet werden, ob die Bank überhaupt wegen Interessenkollision den Nachlass nach § 2216 BGB ordnungsgemäß verwaltet oder ob sie, wenn die Interessenkollision nicht zur Entlassung nach § 2227 BGB führt, nicht wenigstens nach § 2219 BGB in die Haftung genommen werden kann. Demnach ist also besonderes Augenmerk darauf zu verwenden, ob z.B. die Bank bei der Kapitalanlage nur an die eigenen Fonds denkt und nicht zinsgünstigere Möglichkeiten bei anderen Banken ungenutzt lässt.