Rz. 236
Laut BGH kann ein Pflichtteilsberechtigter grundsätzlich nicht die Berichtigung oder Ergänzung eines ihm vorgelegten Verzeichnisses verlangen und ist auf die eidesstattliche Versicherung zu verweisen. Ein Ergänzungsanspruch kann bestehen, wenn das vorgelegte Verzeichnis nicht den fiktiven Nachlass oder im Ausland belegenes Vermögen umfasst, eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen nicht aufgeführt ist, wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt. In diesen Fällen liegt keine (teilweise) Erfüllung vor, so dass der Anspruch des § 2314 Abs. 1 BGB fortbesteht und auch eingeklagt werden kann und muss.
Auch wenn kein klagbarer Anspruch auf Ergänzung des Nachlassverzeichnisses besteht, ist es durchaus sinnvoll, den Schuldner zur Ergänzung aufzufordern, wenn der Verdacht besteht, dass das Nachlassverzeichnis nicht vollständig ist. Erst wenn endgültig feststeht, dass der Erbe nicht bereit ist, weitere Angaben zu machen, sollte der Antrag auf eidesstattliche Versicherung gestellt werden. Denn der einmal gestellte Antrag lässt eine weitere Ergänzung grundsätzlich ausscheiden.
Wenn die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, ist ein Erbe zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Die Versicherung an Eides statt ist nicht auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, beschränkt. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen.
Rz. 237
Die eidesstattliche Versicherung dient der Bekräftigung, dass die gemachten Angaben richtig und vollständig sind. Die Voraussetzung für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung liegt vor, wenn nach objektiven Kriterien Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist (§ 260 Abs. 2 BGB). Dies ist anhand des gesamten Verhaltens des Erben im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung zu beurteilen und kann insbesondere der Fall sein:
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bei früheren unvollständigen oder unrichtigen Angaben; |
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wenn in einem Verzeichnis ein Bankkonto nicht angegeben wurde und es erst im notariellen Verzeichnis gelistet wird; |
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wenn der Erbe sich der Auskunftserteilung entzieht; |
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wenn die Auskunft sich nicht auf alle angefragten Bereiche bezieht; |
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wenn die Angaben mehrfach berichtigt wurden; |
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wenn Belege dem Verzeichnis nicht beigelegt wurden. |
Rz. 238
Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO sollte beachtet werden, dass eine Entscheidung über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erst dann getroffen werden kann, wenn aufgrund vorangegangener Verurteilung ein Nachlassverzeichnis gem. § 260 Abs. 1 BGB erstellt wurde.
Wird gegen eine Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ein Rechtsmittel eingelegt, bestimmt sich der Wert nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordert.
Rz. 239
Ist der Erbe bereit, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, so ist das Nachlassgericht zuständig (§ 410 FamFG), nach gerichtlicher Feststellung das Vollstreckungsgericht (§ 764 Abs. 2 ZPO). Die zwangsweise Durchsetzung der eidesstattlichen Versicherung erfolgt hierbei nach §§ 889, 888 ZPO durch Beugehaft.