Rz. 182

Vor der Teilung des Nachlasses haftet jeder Erbe für den Pflichtteilsanspruch. Jeder einzelne Miterbe kann jedoch erreichen, dass er dem Pflichtteilsgläubiger nur mit seinem Anteil an dem Nachlass, nicht aber mit seinem sonstigen Vermögen haftet, indem er die Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB erhebt. Das Gesetz geht vor der Erbauseinandersetzung davon aus, dass der Nachlass einerseits und das Eigenvermögen der Erben andererseits noch hinreichend voneinander abgesondert sind. Zu beachten ist, dass die Einrede bei der Zwangsvollstreckung nur dann Berücksichtigung findet, wenn sie gem. § 780 ZPO im Urteil vorbehalten wurde.

 

Rz. 183

Anderes gilt hingegen, wenn die Auseinandersetzung bereits durchgeführt wurde. Die Einrede des § 2059 BGB greift hier nicht. Nach der Nachlassteilung kann der einzelne Miterbe über die ihm zugefallenen Gegenstände frei verfügen, so dass der Nachlassgläubiger jetzt schutzwürdiger ist. Das Gesetz ordnet gem. § 2058 BGB nunmehr eine unbeschränkte, lediglich nach §§ 2061 ff. BGB beschränkbare und grundsätzlich gesamtschuldnerische Haftung des Miterben an. Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, steht ihm aber zumindest in Höhe seines Pflichtteils die Einrede des § 2319 BGB zu.[203]

 

Rz. 184

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft erfolgt ist. Grundsätzlich tritt die Teilung des Nachlasses mit dem Vollzug der Auseinandersetzung ein. Es ist nicht erforderlich, dass die Erbengemeinschaft hinsichtlich keines Nachlassgegenstands mehr besteht. Maßgeblich ist vielmehr das objektive Gesamtbild. Die Teilung ist vollzogen, wenn ein so erheblicher Teil der Nachlassgegenstände aus der Gesamthand in das Einzelvermögen der Miterben überführt ist, dass im Nachlass für die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten keine ausreichenden Gegenstände mehr vorhanden sind.[204] Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise muss die Gesamthandgemeinschaft der Miterben praktisch als aufgelöst erscheinen.

 

Rz. 185

 

Hinweis

Eine gesamtschuldnerische Haftung aller Miterben kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn es sich um eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit handelt. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn ein Miterbe gegenüber den anderen Miterben einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325, 2326 BGB geltend macht oder einzelne Miterben mit Vermächtnissen und Auflagen belastet.[205]

[203] Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, § 2319 Rn 1.
[204] Grüneberg/Weidlich, § 2059 BGB Rn 3.
[205] Grüneberg/Weidlich, § 2059 BGB Rn 8.

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