Rz. 158
Anders als bei der gemischten Schenkung handelt es sich bei der mit einer Schenkung verbundenen Auflage um keine Gegenleistung, sondern um eine rechtlich selbstständige Leistungspflicht. Eine typische Auflage ist in der Praxis bspw. die Übernahme einer Pflegeverpflichtung.
Rz. 159
Wie Reiff zutreffend bemerkt, ist die Abgrenzung zwischen gemischter Schenkung und Auflagenschenkung in der Praxis äußerst schwierig und umstritten. Eine Differenzierung bezüglich der Abzugsmöglichkeit bei der Bewertung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wäre unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt; jedenfalls dann nicht, wenn der Beschenkte selbst die Auflage zu erfüllen hat. Der BGH hat diesbezüglich keinen Unterschied gemacht. In seiner Entscheidung hat er die Einräumung eines Wohnrechts nicht als Gegenleistung, sondern als Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB) angesehen. Bei der Ermittlung des Wertes für den Pflichtteilsergänzungsanspruch hat er das Nutzungsrecht jedoch in Abzug gebracht. Der BGH führt aus, dass für die Pflichtteilsergänzung nur der Wert heranzuziehen ist, der über den Wert des kapitalisierten Nutzungsrechts hinausgeht. Eine Unterscheidung zwischen echter Gegenleistung und Auflage ist insoweit nicht vorzunehmen. So hat auch das OLG Hamburg in seiner Entscheidung ohne Zweifel eine als Auflage vereinbarte Pflegeverpflichtung als Abzugsposten berücksichtigt. Das OLG Oldenburg hat demgegenüber ein Wohnungsrecht, welches nur 14 Monate eingeräumt war, nicht wertmindernd in Abzug gebracht.
Rz. 160
Fraglich ist aber bei der Bewertung der Auflage, ob hier auf den tatsächlichen Anfall oder aber, wie bei der gemischten Schenkung, auf den Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung abzustellen ist, mit der Folge, dass nicht, wie bei der Bewertung des Nießbrauchs, der kapitalisierte Wert, sondern nur die tatsächlich angefallenen Leistungen in Abzug zu bringen sind.
Die Frage ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Die Literatur neigt dazu, für die Bewertung grundsätzlich auf eine ex-ante-Einschätzung der beteiligten Vertragsparteien abzustellen. Der BGH äußert sich dahingehend, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen der Vertragsabschluss und die zu diesem Zeitpunkt getroffene Prognoseentscheidung der Parteien sei. Es könne – ähnlich wie bei der Bewertung des Nießbrauchs – eine Berechnung anhand des Produkts von Vervielfältigungsfaktor gem. Anlage 9 zu § 14 BewG i.V.m. der jährlichen Pflegeleistung vorgenommen werden. Nach dem Wegfall der Anlage 9 zu § 14 BewG im Jahre 2009 könnte die Bewertung iVm den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes erfolgen.
Rz. 161
Unabhängig von der Frage, ob die Bewertung der Pflegeleistung aus ex-ante-Sicht nach der Lebenserwartung oder nach der tatsächlich erbrachten Leistung im Nachhinein vorzunehmen ist, stellt sich in der Praxis generell das Problem der Bewertung der Pflegeleistung. Eine durchgängige Rechtsprechung gibt es in diesem Bereich nicht. Bislang wurde meist empfohlen, sich an den Pflegestufen des Pflegeversicherungsgesetzes zu orientieren und zur Bewertung ggf. den Wert der dort genannten Sachleistungen heranzuziehen. Mit der Reform des Pflegeversicherungsgesetzes mit Wirkung zum 1.1.2017 sind an die Stelle der drei Pflegestufen fünf neue Pflegegrade getreten. Hieraus hat sich weitere Rechtsunsicherheit ergeben. Insofern ist der Rechtspraxis dringend zu empfehlen, eine genaue Umschreibung der geschuldeten Tätigkeiten und der aufzuwendenden Zeiten in den Vertrag aufzunehmen. Nach § 2057a BGB ist eine Pflegeleistung mit Rücksicht auf Dauer und Umfang derselben sowie in Bezug auf den Nachlasswert nach Billigkeitsaspekten zu bewerten. Dabei ist eine Gesamtschau vorzunehmen. Die Pflegeleistung kann durch pauschale Schätzung des Gerichts erfolgen, wobei auch die ersparten Heimkosten bei häuslicher Pflege herangezogen werden können. Auch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen, bspw. für eine Pflege, können nachträglich entgeltlich gestellt werden.
Rz. 162
Hinweis
Nach Ansicht des OLG Koblenz ist ein vertraglich vereinbartes Rückforderungsrecht wertmindernd in Abzug zu bringen (in der genannten Entscheidung 10 %).