Rz. 227
Die englische Limited (private company limited by shares), wie sie nach den Entscheidungen des EuGH zu "Centros", "Überseering" und "Inspire Art" immer häufiger auch in Deutschland anzutreffen ist, basiert auf den Regelungen des Companies Act 1985.
Sie weist als Kapitalgesellschaft englischen Rechts deutlich mehr Ähnlichkeiten mit der deutschen Aktiengesellschaft als mit der GmbH auf, an deren Stelle sie in Deutschland aber häufig gegründet wird.
Rz. 228
Da es sich bei der Limited trotz aller Ähnlichkeiten mit deutschen Gesellschaftsformen um eine englische Gesellschaft handelt, ist nach den Regeln des IPR zu entscheiden, wessen Recht auf die Fragen der Erbfolge anzuwenden ist.
Grundsätzlich muss zwischen den Fragen der Vererbbarkeit, der Anwendung des materiellen Erbrechts und des Nachlassverfahrensrechts unterschieden werden.
1. Vererbbarkeit von Gesellschaftsrechten
Rz. 229
Die Vererbbarkeit beschreibt, ob und in welchem Umfang Gesellschafterrechte der Limited vererbt werden können.
Nach welchem nationalen Recht diese Entscheidung zu treffen ist, ist umstritten. Das englische IPR knüpft bezüglich dieser Frage an das Gründungsrecht an, so dass englisches Recht anzuwenden wäre. Zumindest hinsichtlich Gesellschaften der EU-Staaten geht eine im Vordringen befindliche Auffassung ebenfalls von der Anwendbarkeit des Gründungsrechts aus.
Nach Wachter entscheidet das Gesellschaftsstatut, also das Recht, nach dem die Gesellschaft gegründet wurde, darüber, was in den Nachlass fällt. Aus dem Erbstatut ergibt sich sodann, wem die in den Nachlass fallenden Vermögensgegenstände zustehen. Damit kämen deutsches und englisches IPR jeweils zu dem Ergebnis, dass sich die Vererbbarkeit nach englischem Recht richtet.
2. Anwendbares materielles Erbrecht
Rz. 230
Im IPR richtet sich die Erbfolge aus deutscher Sicht nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB.
Rz. 231
In Großbritannien ist das IPR nicht gesetzlich geregelt. Es folgt dem Prinzip der territorialen Nachlassspaltung. Die Erbfolge in den beweglichen Nachlass folgt dem Recht des letzten "Domizils" des Erblassers, wobei zu beachten ist, dass der Domizilbegriff des englischen Rechts sich vom Wohnsitzbegriff des deutschen Rechts unterscheidet. Geschäftsanteile an einer Gesellschaft gelten selbst dann als bewegliches Vermögen, wenn das Vermögen der Gesellschaft ausschließlich aus Immobilien besteht.
Für einen in Deutschland ansässigen Gesellschafter einer englischen Limited greift somit deutsches materielles Erbrecht ein.
3. Nachlassverfahrensrecht
Rz. 232
Aus englischer Sicht richtet sich die Nachlassabwicklung nach dem Belegenheitsprinzip. Für dort belegene Nachlassgegenstände wird englisches Nachlassverfahren angewendet. Letzteres richtet sich für Geschäftsanteile an einer Limited nach dem Ort, an dem wirksam über den Anteil verfügt werden kann. Ob bei Eintragung der Limited in das deutsche Handelsregister auch in Deutschland wirksam über den Anteil verfügt werden kann, ist nicht sicher. Von Oertzen führt hierzu aus, dass soweit ersichtlich weder in der englischen Literatur Entsprechendes zu finden sei, noch Entscheidungen hierzu vorliegen. Man dürfe aber davon ausgehen, dass das Companies House keine andere als die englische Nachlassabwicklung akzeptieren werde, solange die Limited in England registriert ist.
Rz. 233
Aus deutscher Sicht ist gem. Art. 25 EGBGB sowohl das deutsche materielle Erbrecht, als auch das Nachlassverfahrensrecht anzuwenden. Damit würden im Nachlassverfahren die beiden Rechtsordnungen konkurrieren. Jedoch ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 EGBGB oder dem Prinzip des numerus clausus der dinglichen Rechte, dass der Katalog der Sachenrechte nicht durch die Anordnung eines Gesamtstatuts erweitert werden kann. Ist aber nach deutschem Recht eine solche Erweiterung nicht möglich, muss dies auch für das englische Recht gelten, so dass letztlich auf die Frage des Nachlassverfahrens englisches Recht anzuwenden ist. Dies ist auch unbestritten.
Rz. 234
Bei Tod eines in Deutschland ansässigen Gesellschafters einer Limited geht der Geschäftsanteil nach vorstehender Ermittlung aufgrund englischen Rechts auf die Erben über (transmission on death), deren Person und Anteil am Nachlass nach deutschem Recht bestimmt werden.
Allerdings sieht das englische Recht vor, dass dem Nachfolger zunächst nur das Gewinnbezugsrecht zusteht, nicht jedoch das Stimmrecht, da er mit dem Übergang noch nicht als Gesellschafter registriert ist. Der Nachlass wird vielmehr zunächst über einen personal repr...