Rz. 17
Zuständige Bewilligungsbehörde für die ausländischen Vollstreckungsanträge ist das Bundesamt der Justiz, das grundsätzlich die Vollstreckung bewilligen muss, wenn nicht ausnahmsweise ein Ablehnungsgrund entgegensteht. Das IRG unterscheidet dabei zwischen von Amts wegen zu beachtenden Zulässigkeitsvoraussetzungen und den dem behördlichen Ermessen unterliegenden Bewilligungshindernissen.
Rz. 18
§ 87b Abs. 3 IRG führt neun meist formelle und deshalb ohne Zutun des Betroffenen zu beachtende Vollstreckungshindernisse auf, so z.B. eine unvollständige Bescheinigung, das Nichterreichen der 70 EUR-Grenze, eine fehlende Übersetzung bereits des Anhörbogens oder Strafbefehls (EuGH NZV 2017, 530), keine vorherige Anhörung bzw. keine ausreichende Belehrung über das Anfechtungsrecht bei schriftlichen Verfahren, wie die bei ausländischen Bußgeldverfahren meist üblich sind.
Das Bundesjustizministerium hat trotz des massiven Drucks aus dem europäischen Ausland lange Zeit mit einer uneingeschränkten Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses gezögert, weil es verfassungsrechtliche Bedenken hatte und den notwendigen Schutz des Betroffenen auch nicht durch Art. 6 MRK gewährt sah; zu Recht, wie spätestens Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (z.B. O'Holoran und Francis gegen Großbritannien, DAR 2008, 581) gezeigt haben.
Rz. 19
Den für die Umsetzung des Rahmenbeschlusses in deutsches Recht allein zulässigen Weg hat das BVerfG mit seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon (NJW 2009, 2267) vorgezeichnet. Es hat klargestellt, dass der ansonsten in den Vordergrund gerückte Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur kraft und nur im Rahmen der fortbestehenden Ermächtigung gilt und das wiederum bedeutet, dass Rechtsakte der Europäischen Union, die sich außerhalb der der Union erteilten Ermächtigung bewegen, ebenso wie Rechtsakte, die die Identität des Grundgesetzes missachten, in Deutschland keine Rechtswirksamkeit entfalten können.
Rz. 20
Namentlich für das hier zur Diskussion stehende Gebiet der Strafrechtspflege führt das BVerfG aus, dass Art. 1 Abs. 1 GG, mithin der Schutz der Menschenwürde, die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne bestimme und der auch für strafähnliche Sanktionen wie Geldbußen wegen einer Ordnungswidrigkeit geltende (BVerfGE 20, 323) Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetze damit seine Grundlage in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG habe. Deshalb auch gehöre das Schuldprinzip zu der wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Verfassungsidentität, die, jedenfalls solange es noch keinen eigenständigen europäischen Staat gebe, auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt geschützt sei.