Rz. 22
Danach ist gem. § 79b Abs. 3, 9 IRG die Vollstreckung abzulehnen, wenn der Betroffene im ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrundeliegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, oder dies erfolglos eingewandt hat (OLG Köln DAR 2013, 586; OLG Zweibrücken NZV 2018, 338) und er dies im Bewilligungsverfahren auch vorgebracht hat (OLG Köln NZV 2012, 450; OLG Düsseldorf DAR 2012, 217; OLG Jena NZV 2014, 421; a.A. OLG Celle zfs 2019, 469).
Dies gilt entsprechend auch, wenn eine juristische Person gem. § 30 OWiG wegen eines Verkehrsverstoßes in Anspruch genommen werden soll, zumal gem. Art. 9 Abs. 3 Rb-Geld Geldstrafen und Geldbußen, die gegen juristische Personen verhängt werden, selbst dann vollstreckt werden müssen, wenn der Grundsatz der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen im Vollstreckungsstaat nicht anerkannt ist (BVerfGE 9, 167; OLG Köln DAR 2013, 586; OLG Jena NZV 2014, 421).
Zwar gehört auch das Schuldprinzip zu den wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Grundsätzen unserer verfassungsgemäßen Ordnung (BVerfGE 22, 254; BVerfGE 123, 267), dies ändert jedoch nichts daran, dass der EuGH wie auch das OLG Düsseldorf (DAR 2012, 217) die in den Niederlanden, England oder Österreich geltenden Regelungen über die Halterhaftung für mit Art. 6 Abs. 2 EMRK "vereinbar und deshalb auch für vollstreckbar hält, wenn der Bußgeldschuldner nicht fristgerecht den Einwand seines fehlenden Verschuldens vorbringt." (EGMR, Beschl. v. 19.10.2004 - 6673/01, Falk v. Netherlands, HRRS 2005, Nr. 209; EuGH, Urt. vom 5.12.2019 - C-671/18)."
Angesichts der in vielen europäischen Ländern geltenden Halterhaftung im fließenden Verkehr (Italien und Frankreich haben noch nicht einmal ein für die Ermittlung des Fahrers geeignetes Überwachungssystem) und der in Ländern wie Österreich oder England praktizierten mittelbaren Halterhaftung ist der mit Blick auf das deutsche Verfassungsverständnis geschaffene § 79b Abs. 3 Nr. 9 IRG eine besonders wichtige Schutzvorschrift.
Rz. 23
Achtung: Reicht schweigen aus?
Nach bisher in der Rechtsprechung überwiegend (OLG Koblenz DAR 2012, 219; OLG Braunschweig NZV 2013, 148; OLG Köln DAR 2013, 586) vertretener Auffassung soll nur derjenige den Schutz genießen, der zu entsprechendem Vorbringen im ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte, so dass ein im Verfahren vor dem Bundesamt der Justiz erstmalig erhobener Einwand unbeachtlich sein sollte. Eine solche Auslegung verstieße meiner Auffassung nach jedoch gegen das verfassungsrechtlich garantierte "Nemo Tenetur-Prinzip."
Das kann jedoch dahinstehen, da das Bundesamt der Justiz jetzt die Vollstreckung auch dann verweigert, wenn der Betroffene bei ihm erstmals den Einwand erhebt und eine Vollstreckung nur noch zulässt, wenn der Betroffene den Einwand nicht spätestens aufgrund des bei ihm anhängigen Verfahrens erhebt.