Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 674
Mit Wirkung zum 26.4.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten (vgl. ausführlich Apel/Drescher/Lindner, BB 2022, 1795 ff.). Mit dem Gesetz wurde die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie 2016/943 in innerstaatliches Recht umgesetzt. Auch wenn § 1 Abs. 3 Nr. 4 GeschGehG ausführt, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen unberührt bleiben, so tangiert das Gesetz gleichwohl das Arbeitsrecht (vgl. Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351).
Rz. 675
Das GeschGehG verzichtet auf die im Arbeitsrecht übliche Bezeichnung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, deren Differenzierung allerdings ohnehin keine besondere praktische Bedeutung zugeschrieben wurde, zugunsten der einheitlichen Bezeichnung als Geschäftsgeheimnis (vgl. die für die neue Rechtslage nützliche Auflistung möglicher Betriebs- u. Geschäftsgeheimnisse von A-Z nach altem Recht von Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, GeschGehG, § 2 Rn 19). Der Verzicht auf die Formulierung als Betriebsgeheimnis mag auch daran liegen, dass das Geschäftsgeheimnisgesetz kein arbeitsrechtliches Spezialgesetz ist, sondern eher dem Recht des unlauteren Wettbewerbs bzw. des gewerblichen Rechtsschutzes zuzuordnen ist. Nach der Definition in § 2 Nr. 1 GeschGehG ist Geschäftsgeheimnis eine Information
a) |
die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und |
b) |
die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und |
c) |
bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. |
Praxistipp
Letztlich handelt es sich um vier Kriterien für das Vorliegen einer Information i.S.d. Geschäftsgeheimnisses, die alle erfüllt sein müssen:
1. |
Geheim (a) |
2. |
Von wirtschaftlichem Wert (a) |
3. |
Mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen vom Inhaber geschützt (b) |
4. |
Berechtigtes Interesse des Inhabers an der Geheimhaltung (c) |
Gem. § 6 GeschGehG kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholung Gefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Rechtsverletzung erstmalig droht. Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann gem. § 7 GeschGehG den Rechtsverletzer auch in Anspruch nehmen auf Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung, Vernichtung und Rücknahme der rechtsverletzenden Produkte vom Markt. § 8 GeschGehG gewährt einen Anspruch auf Auskunft und § 10 GeschGehG auf Schadensersatz.
Die zuvor relevanten §§ 17–19 UWG a.F. sind mit Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes am 26.4.2019 aufgehoben (vgl. Art. 5 Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gem. Gesetz vom 18.4.2019, BGBl I, 466; vgl. Hessisches LAG v. 27.5.2020 – 18 Sa 1109/19, juris Rn 72 Kontakte; vgl. LAG Köln v. 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, juris Rn 15 Daten).
Rz. 676
Schon seit Langem besteht in Rspr. und Literatur Einigkeit, dass jeder Mitarbeiter aufgrund der dem Arbeitsverhältnis immanenten Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. zutreffend der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) grds. alles zu unterlassen hat, was dem Arbeitgeber bzw. Betrieb oder Unternehmen abträglich sein könnte. Dazu gehört Stillschweigen über alle geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten des Arbeitgebers, insb. über Geschäftsgeheimnisse (vgl. im Einzelnen § 21 Rdn 1795 ff.) zu wahren. → vgl. aber § 5 GeschGehG zur zulässigen Offenlegung im Rahmen von Whistleblowing unten § 70 Rdn 1 ff.
Praxistipp
1. |
Das Geschäftsgeheimnisgesetz ändert nichts an der Herleitung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BT-Drs. 19/4724, 27). |
2. |
Die Geheimhaltungspflichten aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz und aus § 241 Abs. 2 BGB bestehen nebeneinander (vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 53 Rn 46). |
Rz. 677
Die Pflicht zum Stillschweigen über Geschäftsgeheimnisse bestehen auch ohne entsprechende vertragliche Regelung im Anstellungsvertrag (h.M.: vgl. Preis, in ErfK, § 611a Rn 811; Rolfs, in Preis, Der Arbeitsvertrag, Verschwiegenheitspflicht, Rn 3a; Thüsing, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 611a Rn 503; Küttner/Kania, Personalbuch 2023, Verschwiegenheitspflicht, Rn 2; Ohly, GRUR 2019, 441, 444; Kunz, DB 1993, 2482 ff.).
Rz. 678
Gleichwohl ist anzuraten, eine entsprechende Formulierung in den Anstellungsvertrag aufzunehmen oder ggf. eine ausdrückliche separate Vereinbarung, beispielsweise als Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, mit möglichst präzise formuliertem Inhalt abzuschließen (vgl. ebenso Rolfs, in Preis, Der Arbeitsvertrag, Verschwiegenheitspflicht, Rn 59; Ohly, GRUR 2019, 441, 444). Wissensvorsprung bedeutet Wettbewerbsvorsprung (vgl. ebenso Apel/Walling, DB 2019, 891). Daher muss die Sicherstellung der Geheimhaltung des bestehen...