Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 367
Die Sonderzahlung kann (auch) ausschließlich als zusätzliches Entgelt für vergangene und/oder künftige Betriebstreue gewährt werden.
Rz. 368
Die Betriebstreue steht im Vordergrund, wenn für die Sonderzahlung allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses für einen gewissen Zeitraum maßgebend ist (vergangene Betriebstreue) oder die Auszahlung der Sonderleistung vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag oder vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über einen gewissen Zeitraum hinaus abhängig gemacht wird (künftige Betriebstreue).
Rz. 369
Eine Belohnung für in der Vergangenheit erwiesene Betriebstreue kommt in Gratifikationsvereinbarungen regelmäßig dadurch zum Ausdruck, dass die Erfüllung einer bestimmten Wartezeit vorausgesetzt wird (BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 161/03; BAG v. 21.5.2003 – 10 AZR 408/02; LAG Köln v. 2.11.2007 – 11 Sa 550/07; LAG Düsseldorf v. 31.1.2006 – 6 Sa 1441/05), der Arbeitnehmer also innerhalb des Bezugszeitraumes eine bestimmte Zeitdauer dem Betrieb angehört haben muss. Hinweise für eine Anerkennung erwiesener Betriebstreue kann auch eine Regelung geben, wonach Arbeitnehmer, die nach Erreichen der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und zuvor eine bestimmte Zeitdauer dem Betrieb angehört haben, im Gegensatz zu den aus anderen Gründen ausscheidenden Arbeitnehmern im Jahr des Ausscheidens eine volle Sonderzahlung erhalten (vgl. BAG v. 15.8.1984 – 5 AZR 235/83).
Rz. 370
Ein Anreiz und eine vorweggenommene Belohnung für eine zukünftige Betriebstreue werden in der Zusage meist dadurch sichergestellt, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraumes voraussetzt und der Arbeitnehmer die Sondervergütung zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer endet. In der Rspr. des BAG ist anerkannt, dass bei Sonderzahlungen die Zahlung davon abhängig gemacht werden darf, dass das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag überhaupt noch oder noch ungekündigt besteht (BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12). Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darf sich aus einer solchen Regelung allerdings nicht ergeben. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Zahlungen (auch) Gegenleistung für schon erbrachte Arbeit sind (BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12).
Rz. 371
Ein wesentliches Indiz für eine Vergütung zukünftiger Betriebstreue ist auch die Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel. Liegt eine Rückzahlungsklausel für den Fall des Ausscheidens bis zu einem bestimmten Stichtag des Folgejahres vor, ist dies ein Anzeichen dafür, dass mit der Gratifikation nicht nur die in der Vergangenheit geleisteten Dienste, sondern die zukünftige Betriebstreue belohnt werden soll (BAG v. 30.7.2008 –10 AZR 606/07).
Rz. 372
Keine reine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung, sondern eine Gratifikation im weiteren Sinne liegt auch dann vor, wenn die Gratifikationsregelung einen sog. Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt enthält (BAG v. 10.5.1995 – 10 AZR 648/94; LAG Köln v. 13.3.1997 – 5 Sa 1506/96).