Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 646
Nach heute gefestigter Rspr. haben auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Arbeitsentgeltcharakter (vgl. u.a. BAG v. 19.4.2016 – 3 AZR 526/14, NZA 2016, 820) und entlohnen bereits erbrachte und zukünftige Betriebstreue). Insofern gilt auch für die betriebliche Altersvorsorge das AGG trotz der in § 2 Abs. 2 S. 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz (vgl. BAG v. 3.6.2020 – 3 AZR 480/18, NZA 2020, 1245).
Rz. 647
Mit Ausnahme der in § 1a BetrAVG geregelten Entgeltumwandlung, gibt es keine Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Gewährung einer Versorgungszusage (als Ausnahme hierzu ergibt sich eine solche Verpflichtung nur nach dem Hamburger Ruhestandsgesetz (vgl. BAG v. 24.2.2004 – 3 AZR 10/02, n.v.; BAG v. 20.4.2004, NZA-RR 2005, 95–99). Entschließt sich der Arbeitgeber zu einer Versorgungszusage, so steht dem Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ein unmittelbarer Verschaffungsanspruch aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis zu, der aufgrund seiner hinausgeschobenen Fälligkeit erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalles zuvor weder verfallen, verjähren oder verwirken kann.
Rz. 648
Betriebliche Versorgungsleistungen sind zweckgebundenes Entgelt; sie können nur bei Eintritt eines vorher definierten Versorgungsfalles vom Arbeitnehmer verlangt werden. Betriebliche Altersversorgung ist daher ein aufgeschobenes Entgelt für die Summe der während der Betriebszugehörigkeit vom Arbeitnehmer geleisteten Dienste und steht als solches in einem vertraglichen Austauschverhältnis, d.h. sie ist die Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer durch seine Betriebstreue erbrachte Vorleistung. Zu den sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen, insb. für den Bestandsschutz betrieblicher Versorgungszusagen s. § 35 Rdn 106 ff.
Rz. 649
Betriebliche Versorgungsleistungen können nach dem BetrAVG über insgesamt fünf verschiedene Durchführungswege gewährt werden:
Rz. 650
Nach der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG werden Leistungen betrieblicher Altersversorgung als Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung definiert, die einem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind. Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören somit
Rz. 651
Darüber hinaus existieren keine weiteren einschränkenden, ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale. Insb. ist es nicht erforderlich, dass es sich bei der betrieblichen Versorgungsleistung um eine "zusätzlich zum Barlohn entrichtete, freiwillige Arbeitgeberleistung" handeln muss (vgl. BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, BB 1991, 482 = DB 1990, 2475 = ZAP 1991 F. 17 R, S. 13 m. Anm. Langohr-Plato; BAG v. 10.8.1993 – 3 AZR 69/93, BB 1994, 360 = DB 1994, 539 = NZA 1994, 757).
Rz. 652
§ 1 Abs. 2 BetrAVG stellt insoweit klar, dass sowohl aus einer Entgeltumwandlung finanzierte Versorgungsleistungen als auch die beitragsorientierte Leistungszusage als betriebliche Altersversorgung ausdrücklich anerkannt werden. Damit fallen auch sämtliche Modelle der "deferred compensation" (vgl. Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, Rn 458 und Rn 781 ff.) unabhängig vom gewählten Durchführungsweg in den Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes und unterliegen damit auch der gesetzlichen Insolvenzsicherung.
Rz. 653
Einzelheiten zur betrieblichen Altersversorgung, vgl. § 35 Rdn 1 ff.