Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 1016
Hinsichtlich der Anwendbarkeit des AGB-Rechts ist zwischen der Rahmenvereinbarung und der Einzelvereinbarung zu unterscheiden. Rahmenvereinbarungen sind im Regelfall für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und unterfallen somit der gerichtlichen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. I.d.R. werden Zielvereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dessen direktem Vorgesetzten in einem kooperativen Prozess ausgehandelt, was der Annahme einer AGB entgegenstehen könnte. Zumeist werden jedoch in der Praxis die Ziele vom Arbeitgeber vorgegeben und sind damit für den Arbeitnehmer nicht zu verhandeln (Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn 893; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 461). Nur wenn dem Arbeitnehmer eine reale Möglichkeit der Einflussnahme auf den Inhalt der Zielvereinbarung zur Wahrung seiner eigenen Interessen gegeben wäre, insb. die Möglichkeit der Formulierung und des Aushandelns eigener Ziele gegeben ist, wäre von einer ausgehandelten Individualvereinbarung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB auszugehen. Abzugrenzen ist die vorformulierte Zielvereinbarung von der einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Zielvorgabe. Letztere ist aufgrund der Einseitigkeit im Gegensatz zur Zielvereinbarung ein Vertrag und ist an den Grenzen des billigen Ermessens des Direktionsrechtes nach § 106 S. 1 GewO zu messen (Däubler, ZIP 2004, 2210).
Rz. 1017
Grds. stehen die §§ 305 ff. BGB der Wirksamkeit von Zielvereinbarungen nicht entgegen. Jedoch können einzelne Klauseln in Rahmenvereinbarungen oder in Einzelabreden im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, die Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB oder die Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstoßen.
Rz. 1018
Würden in einer Zielvereinbarung Ziele enthalten sein, die den Arbeitnehmer von vornherein überfordern, eben Zielabsprachen, die der Arbeitnehmer realistischerweise im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung nicht erreichen kann, kann die Klausel gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, das Transparenzgebot, verstoßen. Zur Feststellung eines überfordernden Zieles ist der Zeitaufwand anderer Beschäftigter in vergleichbaren Arbeitssituationen heranzuziehen. Selbst bei hinreichend klarer Formulierung kann die Vereinbarung nicht zu erreichender Ziele im Einzelfall eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen. Zu denken ist hierbei auch an Ziele, deren Erreichen der Arbeitnehmer nicht realistischerweise beeinflussen kann.
Rz. 1019
Sollten gar Ziele vereinbart werden, die einer subjektiven Bewertung bedürften, wie z.B. die "Verbesserung der Teamfähigkeit", die "Steigerung der Kundenzufriedenheit", ist problematisch, dass die Beurteilung in doppelter Hinsicht der subjektiven Einschätzung des Vorgesetzten unterliegt. Sowohl die Beurteilung der Erreichung des Zieles als auch die Festlegung, welchem Vergütungsanteil die Zielerreichung entspricht, läge im Ermessen des Arbeitgebers. Dies würde gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und damit unwirksam sein (Däubler, ZIP 2004, 2213). Deswegen ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen der Zielerreichung in der Vereinbarung möglichst genau festgelegt werden, um dem Transparenzgebot zu genügen (ArbG Düsseldorf v. 13.8.2003, DB 2004, 81; BAG v. 12.1.2005, AP BGB § 308 Nr. 1 zu Widerrufsvorbehalten; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 467). Dies kann z.B. durch die Offenlegung des Verfahrens zur Ermittlung der Zielerreichung geschehen.
Rz. 1020
Als Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wäre es zu werten, wenn dem Arbeitnehmer durch die Zielvereinbarung eine Erfolgsgarantie auferlegt würde (Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn 895; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 468). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erreichung der vereinbarten Ziele stellt insoweit eine Abweichung vom arbeitsvertraglichen Leistungsversprechen dar, nachdem der Arbeitnehmer lediglich die Arbeitsleistung und nicht einen Erfolg schuldet (Däubler, ZIP 2004, 2211).
Rz. 1021
Ein Vorbehalt, dass der in der Zielvereinbarung genannte Bonus nur freiwillig bezahlt wird, ist als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (Preis, Der Arbeitsvertrag, 1576; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 626a; Däubler, ZIP 2004, 2214). Der Bonus stünde nämlich im direkten arbeitsvertraglichen Synallagma zur Leistung des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Zielerreichung. Deswegen stellt ein Freiwilligkeitsvorbehalt einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar, jedoch ist zu beachten, dass im Gegensatz zum Widerrufsvorbehalt der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht einmal den gewährten Anspruch einschränken, sondern schon das Entstehen verhindern kann. Hat aber der Arbeitnehmer aufgrund einer Rahmenvereinbarung im Arbeitsvertrag Anspruch auf einen Bonus in bestimmter Höhe, wenn er die von den Arbeitsvertragsparteien für jedes Kalenderjahr gemeinsam vereinbarten Ziele erreicht, steht ihm w...