Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 927
Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt, wenn der Arbeitgeber von seiner Beschäftigungspflicht befreit ist. Das Arbeitsverhältnis besteht in dieser Konstellation fort, die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen aber bei einer Suspendierung.
Rz. 928
Bei einer fehlenden vertraglichen Vereinbarung ist die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers von der Beschäftigung regelmäßig nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber eine Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar ist (BAG v. 15.6.1972, AP Nr. 7 zu § 628 BGB; LAG Köln v. 20.3.2001, AuR 2001, 237; LAG Hamm v. 3.11.1993, LAGE § 611 – Beschäftigungspflicht Arbeitnehmers Nr. 36). Diese besonderen Umstände, die eine Suspendierung von der Beschäftigungspflicht rechtfertigen sollen, müssen dann von dem Arbeitgeber bewiesen werden (LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 611 BGB 2002 – Beschäftigungspflicht Nr. 1; LAG München v. 19.8.1992, NZA 1993, 1130). Es muss dabei um eine erhebliche Gefährdung für die Ordnung des Betriebs oder die Gefahr einer schwerwiegenden Vertragsverletzung gehen. Ist ein Arbeitnehmer in leitender Stellung nicht an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und kommt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Dienst für ein Konkurrenzunternehmen in Betracht, ist der Arbeitgeber zu einer Suspendierung berechtigt, selbst wenn eine längere Kündigungsfrist besteht (LAG Hamm v. 3.11.1993, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 36). Umgekehrt ist es so, dass eine außerordentliche Kündigung nicht allein deshalb unwirksam ist, weil für den Arbeitgeber die Möglichkeit bestehen würde, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist freizustellen (BAG v. 11.3.1999, AP Nr. 149 zu § 626 BGB).
Rz. 929
Wird der Arbeitnehmer von der Beschäftigung freigestellt, behält er i.d.R. seinen Vergütungsanspruch. Selbst bei einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ist dem Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung für die Zeit der Suspendierung zu zahlen (BAG v. 4.6.1964, AP Nr. 3 zu § 626 BGB – Verdacht strafbarer Handlung; BAG v. 10.11.1955, AP Nr. 2 zu § 611 BGB). Nur wenn das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitnehmer die Annahme der Arbeitsleistung nicht zumutbar ist, kann ausnahmsweise die Vergütung entfallen (BAG v. 29.10.1987, AP Nr. 42 zu § 615 BGB; LAG Bremen v. 24.8.2000, NZA-RR 2000, 632). Daran ist z.B. zu denken, wenn eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristlose Kündigung wegen eines gesteigerten Kündigungsschutzes nicht möglich ist (LAG Hessen v. 26.4.2000, NZA-RR 2000, 633).
Rz. 930
Unter einer Freistellungsklausel dagegen versteht man eine Regelung, nach welcher der Arbeitgeber berechtigt sein soll, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freizustellen. Die Rechtslage hierzu ist umstritten (Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1569). Arbeitsgerichtliche Urteile zu dieser Frage fallen bisher unterschiedlich aus. Z.T. werden Klauseln, die den Arbeitgeber zur Freistellung des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses berechtigen, für wirksam gehalten (LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; ArbG Stralsund v. 11.8.2004, NZA-RR 2005, 23, 24). Andererseits wird darin eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gesehen (LAG Baden-Württemberg v. 5.1.2007, NZA-RR 2007, 406; ähnlich ArbG Frankfurt am Main v. 19.11.2003, NZA-RR 2004, 409, 410; Hümmerich, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rn 1392 f.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 306). Eine Freistellungsklausel würde der gesteigerten Bedeutung des Beschäftigungsanspruchs nicht gerecht werden. Die Beschäftigungspflicht ist demgemäß auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers begründet. Dieser Rspr. ist i.R.d. § 307 Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Eine formularvertragliche Freistellungsmöglichkeit ohne Angabe von Gründen ist mit ihr nicht zu vereinbaren. Dagegen genügt ein sachlicher Grund dann, wenn er in groben Zügen konkretisiert, wann eine Freistellung erfolgen darf (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 307). Im Fall einer berechtigten Freistellung wird der Arbeitnehmer durch eine formularmäßige bestimmte Anrechnung des noch bestehenden Erholungsurlaubes nicht unangemessen benachteiligt (LAG Köln v. 20.2.2006, NZA-RR 2006, 342).