Rz. 541

Bei der Haftung des Arbeitnehmers für Sachschäden am Dienstwagen sind die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung anzuwenden. Diese Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Sie finden auch auf Auszubildende Anwendung (vgl. BAG v. 18.4.2002 – 8 AZR 348/01). Von ihnen kann weder einzel- noch kollektivvertraglich zulasten des Arbeitnehmers abgewichen werden (BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649 – 651; s. zur Haftung des Arbeitnehmers ausführlich § 21 Rdn 890 ff.). Nach dem Beschl. des Großen Senats (BAG v. 27.9.1994 – GS – 1/89 (A), NZA 1994, 1083–1086) ist dabei von folgenden Grundsätzen auszugehen:

 

Rz. 542

Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen ist. Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insb. von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgeltes, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten, zu berücksichtigen sein.

 

Rz. 543

Nach der Rspr. liegt grob fahrlässiges Verhalten des Dienstwagenberechtigten vor, bei

Diebstahl eines Navigationsgerätes, das sichtbar im Fahrzeug in der dafür vorgesehenen Halterung verblieb und dessen Ausbau problemlos möglich war (BVerwG v. 12.8.2008 – 2 A 8/07);
fehlerhaftes Betanken des Dienstfahrzeuges (VG Greifswald v. 9.6.2016 – 6 A 59/15; ArbG Kassel v. 8.2.2006, AE 2006, 171);
Alkoholgenuss über 0,8 % (BAG v. 21.11.1959, AP Nr. 14 und 24 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers);
Fahren ohne Fahrerlaubnis, es sei denn der Arbeitgeber hat dies angeordnet (BAG v. 13.3.1961, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers);
Geschwindigkeitsüberschreitung (BAG v. 7.7.1970, AP Nr. 59 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers);
Missachtung von Verkehrszeichen (BAG, AP Nr. 23 und 30 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers);
Rotlichtverstoß (BAG v. 27.10.1960, AP Nr. 21 und 23 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; ablehnend ArbG Berlin v. 23.9.2015 – 28 Ca 5269/15);
Unfallverursachung bei Handynutzung (vgl. BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97);
Übermüdung (BAG v. 29.6.1964, AP Nr. 33 und 42 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers);
Vorfahrtsverletzung (BAG v. 30.10.1963, AP Nr. 30 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).
 

Rz. 544

Die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung greifen nicht ein, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen einen Schaden während einer privaten Fahrt verursacht. Der Schaden ist dann nicht dem Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen. Der Arbeitnehmer haftet auch gegenüber dem Arbeitgeber wie jeder Dritte (Nägele, NZA 1997, 1196). Das gilt auch dann, wenn sich ein Unfall auf dem Heimweg von der Arbeit oder auf der Fahrt zur Arbeit ereignet, da insoweit keine betriebliche Tätigkeit vorliegt (LAG Rheinland-Pfalz v. 9.10.2018 – 6 Sa 75/18, juris).

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