Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 459
Die für Rückzahlungsklauseln entwickelten richterrechtlichen Leitlinien erstrecken sich nicht nur auf die vertraglich zugesagte Weihnachtsgratifikation, sondern auch auf alle anderen gratifikationsähnlichen Sonderleistungen (zur Abgrenzung s. Rdn 356 ff.). Auch Jahresabschlussvergütungen, Treueprämien und Urlaubsgratifikationen können dem Grunde nach hiervon erfasst werden (BAG v. 13.9.1974 – 5 AZR 48/74; BAG v. 15.3.1973 – 5 AZR 525/72; LAG Köln v. 14.5.1993 – 14 Sa 119/93). Hingegen können Leistungen mit Vergütungscharakter und leistungsabhängige Prämien mit einer Rückzahlungsklausel nicht versehen werden. Insoweit sind Rückzahlungsvorbehalte unzulässig, weil sie dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit den verdienten Lohn nehmen (BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10; BAG v. 27.4.1982 – 3 AZR 814/79; BAG v. 13.9.1974 – 5 AZR 48/74).
Rz. 460
Ein Rückzahlungsvorbehalt erstreckt sich nicht auf Ausbildungsverhältnisse. Die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ist einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht gleichzusetzen (BAG v. 12.11.1966 – 5 AZR 202/66).
Rz. 461
Inhaltlich beziehen sich Rückzahlungsklauseln i.d.R. auf Kündigungen seitens des Arbeitnehmers. Sie können aber auch arbeitgeberseitige Kündigungen und Aufhebungsverträge oder allgemein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen. Ob im Fall der einverständlichen Beendigung des Arbeitsvertrages oder der billigend entgegengenommenen Kündigung eine Rückzahlungsverpflichtung erwächst, muss nach dem Wortlaut und dem Zweck der Rückzahlungsklausel entschieden werden. Ist die Rückzahlung ausdrücklich nur für den Fall der Kündigung des Arbeitnehmers vorbehalten, wird eine Rückzahlungsverpflichtung bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht ausgelöst (LAG München v. 25.10.1990 – 4 Sa 22/90; LAG Hamm v. 12.2.1999 – 10 Sa 1621/98). Je nach Ausgestaltung der Rückzahlungsklausel kann darauf abzustellen sein, auf wessen Veranlassung der Aufhebungsvertrag zustande gekommen ist. Eine Rückzahlungsverpflichtung kann dann ausgeschlossen sein, wenn nach vorangegangener Kündigung das Arbeitsverhältnis erst nach Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird (LAG Düsseldorf v. 5.12.1974 – 14 Sa 1106/74; anders hingegen LAG Rheinland-Pfalz v. 27.2.2004 – 3 Sa 1275/03). Nach neuerer Rechtsprechung kommt es für die Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel maßgeblich darauf an, dass eine hinreichende Differenzierung nach dem Beendigungsgrund vorgenommen wird; dies betrifft insbesondere Eigenkündigungen von Arbeitnehmern und die Frage, aus wessen Sphäre diese stammen (BAG v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21).
Rz. 462
Auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis kommt es auf den Inhalt der Rückzahlungsvereinbarung an, ob und inwieweit der Arbeitnehmer zur Rückzahlung einer gewährten Gratifikation verpflichtet ist. Ein befristetes Arbeitsverhältnis kann von einem Rückzahlungsvorbehalt erfasst werden, wenn die Befristung auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte (BAG v. 31.1.1979 – 5 AZR 551/77). Dagegen kann eine Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit Fristablauf tarifrechtlich einer einvernehmlichen Aufhebung (BAG v. 24.11.1988 – 6 AZR 243/87) oder einer Kündigung (BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 82/02; LAG Hamm v. 18.4.2002 – 8 Sa 136/02) nicht gleichgestellt werden.
Rz. 463
Sieht eine Rückzahlungsvereinbarung eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall des Ausscheidens bis zum 31.03. des Folgejahres vor, entsteht die Rückzahlungsverpflichtung auch für den Mitarbeiter, der mit Wirkung zum Ablauf des 31.3. des Folgejahres kündigt. Die Frist "bis zum 31.3. des Folgejahres" endet mit Ablauf dieses Tages (§ 188 BGB). Wird eine Kündigung zum 31.3. ausgesprochen, so führt dies zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf dieses Tages und damit bis zum 31.3. (BAG v. 9.6.1993 – 10 AZR 529/92; LAG Hamm v. 12.2.1999 – 10 Sa 1621/98; LAG Hamm v. 14.8.1998 – 10 Sa 153/98; LAG Düsseldorf v. 25.3.1997 – 16 Sa 1724/96; LAG Rheinland-Pfalz v. 5.2.1997 – 8 Sa 1095/96; LAG Hamm v. 14.2.1997 – 10 Sa 1297/96; vgl. aber auch: LAG Düsseldorf v. 28.1.1998 – 17 Sa 1715/97).
Rz. 464
Eine Rückzahlungsverpflichtung kann jedoch dann nicht begründet sein, wenn der Arbeitnehmer zum 1.4. des Folgejahres kündigt, unabhängig davon, ob eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt nach den gesetzlichen Vorschriften oder den vertraglichen Vereinbarungen zulässig ist. Eine unzulässige Kündigung zum 1.4. berechtigt den Arbeitgeber nicht, die Kündigung des Arbeitnehmers insoweit zu korrigieren, dass er den Beendigungszeitpunkt auf den 31.03. vorverlegt (LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.1995 – 3 Sa 375/95; a.A. LAG Hessen v. 6.1.1995 – 13 Sa 62/94). Insoweit bedarf es einer sorgfältigen Auslegung der Kündigungserklärung (vgl. LAG Hamm v. 1.3.2012 – 8 Sa 1575/11).
Rz. 465
Der 3. Senat des BAG hat eine Rückzahlung von Ausbildungskosten für den Fall jeder Eigenkündigung als unbillig nach § 307 Abs....