Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 954
Die Zulässigkeit von Rückzahlungsvereinbarungen wird maßgeblich durch die Intensität der Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis bestimmt. Mit einer drohenden Rückzahlungspflicht des Arbeitsentgeltes und der Fortbildungskosten geht für den Arbeitnehmer eine faktische Einschränkung seiner Kündigungsfreiheit einher. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern auch vor dem Hintergrund des zumindest mittelbar wirkenden Art. 12 Abs. 1 GG zu würdigen. Umso stärker die Bindung an das Arbeitsverhältnis, umso intensiver der Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers.
Rz. 955
Deswegen steht die Bindungsdauer in Abhängigkeit zur Länge der Fortbildungszeit (BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542, 543). In der Rspr. haben sich folgende Fallgruppen herausgebildet. Dauert die Fortbildung nicht länger als einen Monat, ist eine Bindung des Arbeitnehmers von bis zu sechs Monaten zulässig (BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559, 560). Eine bis zu zwei Monate dauernde Fortbildungsmaßnahme rechtfertigt eine Bindung von einem Jahr (BAG v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835). Bei einer Fortbildungszeit von drei bis vier Monaten sollen schon zwei Jahre als Bindungszeit infrage kommen und bei einer Fortbildungsdauer von sechs bis 12 Monaten ist eine Bindungsdauer von drei Jahren gerechtfertigt (BAG v. 11.4.1984, NZA 1984, 288; BAG v. 23.4.1986, NZA 1986, 741). Will der Arbeitgeber die Kündigung für fünf Jahre ausschließen, setzt dies eine Fortbildungsmaßnahme voraus, die mehr als zwei Jahre andauert (BAG v. 12.12.1979 – 5 AZR 1056/77, DB 1980, 1704; BAG v. 8.5.1974, NJW 1974, 2151). Findet die Fortbildung nur in stunden- oder tageweisen Abschnitten statt, dann ist die tatsächlich aufgewendete Ausbildungszeit in ein Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit zu setzen (BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542, 544). Die Rspr. legt Wert auf die Feststellung, dass sich mit diesen Fallgruppen ein starres Schema nicht verbinden würde. Man kann davon ausgehen, dass diese Grundsätze allerdings einen wichtigen Abwägungsfaktor darstellen. So kann auch bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine lange Bindung gerechtfertigt sein, wenn etwa der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt. Umgekehrt kann auch bei längerer Dauer der Fortbildung nur eine verhältnismäßig kurze Bindung gerechtfertigt sein. Das wäre dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nur verhältnismäßig wenig Mittel aufwendet und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer nur geringe Vorteile bringt (BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, NZA 1996, 314).
Rz. 956
Hinweis
Die Dauer der Fortbildung ist ein starkes Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation und muss daher im besonderen Maße bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Der Qualifikationsgrad des Arbeitnehmers durch eine Fortbildungsmaßnahme kann aber auch durch andere Umstände begründet sein.