Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 997
Vertragsstrafenvereinbarungen, die die arbeitsvertragswidrige Nichterfüllung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers sanktionieren, benachteiligen diesen nicht generell unangemessen (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 733). Der Arbeitnehmer hat i.d.R. weder ein Interesse daran noch ein Recht, den Arbeitsvertrag zu brechen. Die Abreden zur Verhinderung der vertragswidrigen Auflösung oder des Nichtantrittes der Arbeitsstelle, dienen der Erfüllungssicherung. Dies begründet ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse (BAG v. 27.5.1992, EzA § 339 BGB Nr. 8; ArbG Frankfurt am Main v. 20.4.1999, NZA-RR 2000, 82).
Rz. 998
Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt dann vor, wenn die Vertragsstrafenklausel sich von der Erfüllung des Arbeitsvertrages entfernt und vorrangig zur Bereicherung des Arbeitgebers eingesetzt wird (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, BB 2011, 767). Dies ist anzunehmen, wenn das sanktionierte Verhalten typischerweise nicht zu einem Schaden oder nur zu einem völlig unerheblichen Schaden des Arbeitgebers führen würde oder dieser im Fall des Schadenseintritts den Schaden und seine Höhe ohne größere Schwierigkeiten nachweisen kann (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 733). Eine vom Arbeitgeber als AGB verwendete Vertragsstrafenregelung ist wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, unwirksam, wenn sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers gegen ein Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe i.H.v. zwei durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen vorsieht und gleichzeitig bestimmt, dass im Fall einer dauerhaften Verletzung des Wettbewerbsverbotes jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung gilt (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170). Die Höhe der Vergütung ist grds. ein geeigneter Maßstab, um den Wert der Arbeitsleistung festzustellen. Die Länge der Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegeln damit regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider. Diese Umstände sind danach auch für den Umfang eines möglichen Schadens bei vertragswidriger Lösung vom Arbeitsverhältnis von Bedeutung (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, BB 2011, 767). Demgemäß ist eine Vertragsstrafe i.H.d. Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Fall des Nichtantritts der Arbeit grds. angemessen (BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; LAG Rheinland-Pfalz v. 19.5.2016 -5 Sa 579/15).Sieht ein Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts unter anderen für den Fall vor, dass der AN das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist auflöst, führt dies zu einer Übersicherung des Arbeitgebers, wenn sie diesen berechtigt, die Vertragsstrafe auch dann zu fordern, wenn der AN das Arbeitsverhältnis während der Probezeit von sechs Monaten ohne Einhaltung der während dieser Zeit maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Wochen auflöst. Eine derartige Klausel benachteiligt den AN unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14). Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, kann nur ausnahmsweise angemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sein. Dies kann nur angenommen werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung, der sich bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigt (BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14).
Rz. 999
Unangemessen scheint dem BAG auch eine Vertragsstrafe für den Fall der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber zu sein (BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822). In dieser Konstellation wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein Interessenausgleich hergestellt, sodass die zusätzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zu einer Vertragsstrafe eine Übersicherung darstelle (BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824). Wird dagegen an die Verletzung sonstiger, über die Vertragserfüllung hinausreichender, schutzwürdiger Interessen angeknüpft, kann eine Vertragsstrafenregelung weiterhin wirksam bleiben. Dabei kämen Eigentums- oder Vermögensverletzungen durch den Arbeitnehmer in Betracht. Das BAG hat darüber hinaus eine Übersicherung angenommen, wenn der Arbeitsvertrag für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe i.H.d. ein- bzw. dreifachen Monatsgehaltes vorgesehen hat (BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37).
Rz. 1000
Eine zu hohe Vertragsstrafe konnte nach bisheriger Rspr. auf Antrag des Arbeitnehmers durch ein Urteil nach § 343 Abs. 1 BGB herabgesetzt werden (BAG v. 30.11.1994 – 5 AZR 702/93, NZA ...