Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 411
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG v. 5. 8. 2009 – 10 AZR 666/08; LAG Düsseldorf v. 2.8.2016 – 8 Sa 1454/15). Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz, wenn sich für die unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich nachvollziehbarer Grund finden lässt. Für freiwillige Leistungen des Arbeitgebers bedeutet das, dass dieser die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen hat, dass Arbeitnehmer des Betriebes nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Hierbei ist der Arbeitgeber grds. frei, den Personenkreis abzugrenzen, dem er freiwillige Leistungen zukommen lassen will. Er kann in diesem Zusammenhang Arbeitnehmergruppen bilden, wenn diese Gruppenbildung nicht willkürlich, sondern sachlich gerechtfertigt und rechtlich zulässig ist. Die sachliche Rechtfertigung dieser Gruppenbildung kann nur am Zweck der freiwilligen Leistung des Arbeitgebers gemessen werden (BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 510/10; BAG v. 14.2.2007 – 10 AZR 181/06). Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 116/04; LAG Düsseldorf v. 2.8.2016 – 8 Sa 1454/15).
Rz. 412
Auch ein regelmäßig erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt (s. Rdn 403 ff.) schließt die Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz im jeweiligen Jahr der Zahlung nicht aus (BAG v. 26.9.2007 – 10 AZR 569/06; LAG Hamm v. 28.1.2005 – 15 Sa 1227/04).
Rz. 413
Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird grds. auf die Arbeitnehmer desselben Betriebes bzw. derselben Dienststelle angewendet. Er wirkt jedoch zumindest im Hinblick auf überbetriebliche Arbeitsbedingungen auch innerhalb desselben Unternehmens (BAG v. 17.11.1998 – 1 AZR 147/98; LAG Hessen v. 15.8.2001 – 8 Sa 1098/00).
Rz. 414
Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die unsachgemäße Ausgrenzung einzelner Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern. Dagegen verhindert er nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer. Es gibt weder einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" noch einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Rechtsirrtum" (BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 335/97; LAG Berlin v. 24.1.2003 – 2 Sa 1807/02).
Rz. 415
Der Arbeitgeber muss die Sondervergütung so gewähren, dass kein Arbeitnehmer willkürlich, also ohne eine sich aus dem Leistungszweck ergebende Rechtfertigung, schlechter gestellt wird. Für die Bestimmung des Zweckes ist eine vertragsspezifische Perspektive entscheidend. Maßgebend ist daher, welchen Zweck der Arbeitgeber im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verfolgt (BAG v. 13.12.1994 – 3 AZR 367/94; BAG v. 20.7.1993 – 3 AZR 52/93). Hiernach ist eine Gratifikationsregelung sachwidrig und verstößt gegen das Gebot der Gleichbehandlung, wenn der Arbeitgeber allein eine Differenzierung nach dem Arbeitnehmerstatus vornimmt.
Rz. 416
Es verstößt auch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn an Hochschulen beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern mit abgeschlossener Hochschulbildung eine jährliche Sonderzuwendung gewährt wird, den wissenschaftlichen Mitarbeitern ohne abgeschlossene Hochschulbildung – den studentischen Hilfskräften – jedoch nicht (BAG v. 6.10.1993 – 10 AZR 450/92).
Rz. 417
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt auch bei einer Differenzierung zwischen voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeiternehmern vor. Dem Teilzeitarbeitnehmer steht regelmäßig eine anteilige Gratifikation zu, die sich am Verhältnis seiner Arbeitszeit oder seiner Arbeitsvergütung zu der eines vergleichbaren Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigten zu orientieren hat (BAG v. 17.2.1992 – 10 AZR 450/90; BAG v. 6.12.1990 – 6 AZR 159/89; vgl. auch BAG v. 26.9.2007 – 10 AZR 569/06). Der Ausschluss von Altersteilzeitbeschäftigten von einer Leistungsprämie verstößt ebenfalls gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (BAG v. 24.10.2006 – 9 AZR 713/05).
Rz. 418
Schließlich verstößt es gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB, wenn der Arbeitgeber am Jahresende lediglich den Mitarbeitern eine freiwillige Gratifikationszahlung gewährt, die zuvor neue, verschlechternde Arbeitsbedingungen akzeptiert haben (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 497/07; BAG v. 26.9.2007 – 10 AZR 569/06; LAG Hamm v. 11.5.2006 – 8 Sa 2088/05; a.A. LAG Nürnberg v. 12.3.2008 – 4 Sa 172/07).
Rz. 419
Es verstößt hingegen nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Arbeitgeber den im Zeitungsvertrieb beschäftigten Innendienstangestellten ein Weihnachtsgeld zahlt, den Zeitungszustellern jedoch n...