Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 63
Um der Einheitlichkeit der materiellen Arbeitsbedingungen willen haben insb. tarifgebundene Arbeitgeber ein Interesse daran, die Regelungen des sie ohnehin bindenden Tarifvertrages auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Täten sie das nicht, müssten sie damit rechnen, dass auch bislang nicht organisierte Belegschaftsmitglieder der Gewerkschaft beitreten.
Rz. 64
Die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages ist grds. zulässig. Dies folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und wird z.B. in § 622 Abs. 4 S. 2 BGB vorausgesetzt. Gegen rechtlich geschützte Interessen der Koalitionen i.S.d. Art. 9 S. 3 GG wird damit nicht verstoßen.
Rz. 65
Die vertragliche Inbezugnahme führt bei nur einseitiger oder beidseits fehlender Tarifbindung zur lediglich schuldrechtlichen Geltung der Tarifregelungen. Der generelle Einbezug als solcher und die einzelnen einbezogenen Regelungen können deshalb mit den Mitteln des Schuldrechts jederzeit wieder geändert werden, sei es zweiseitig durch Änderungsvertrag, sei es einseitig durch wirksame Änderungskündigung.
Rz. 66
Der vorformulierte Arbeitsvertrag unterliegt der Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB. Die Verweisung auf Tarifverträge ist aber eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB und somit nicht überraschend. Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind grds. gem. § 310 Abs. 4 S. 3 BGB Tarifverträge, sofern diese vollständig in das Arbeitsverhältnis einbezogen werden (BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06). Für diese gilt aufgrund der Aushandlung durch annähernd gleichstarke Verhandlungspartner eine Richtigkeitsgewähr. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch eine Bezugnahmeklausel nicht ganze Tarifverträge, sondern nur einzelne Bestimmungen hieraus in Bezug genommen werden (s.u. Rdn 68 ff.).
Rz. 67
Bestimmtheitsgebot und Überraschungsschutz der AGB-Kontrolle verlangen insb. bei nur konkludentem Einbezug eines Tarifvertrages – auch des einschlägigen – oder bei dessen Anwendung kraft betrieblicher Übung Beachtung. Beides – die konkludente Verweisung auf die Bestimmungen eines Tarifvertrages und deren schuldrechtliche Verbindlichkeit kraft betrieblicher Übung – ist nach herrschender Meinung rechtlich möglich (BAG v. 19.1.1999 – 1 AZR 606/98; BAG v. 17.11.1998 – 9 AZR 584/97; Schaub, ArbRHB, § 206 Rn 16). Doch ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob allein in der jahrelang praktizierten Weitergabe etwa von Tariflohnerhöhungen und Weiterungen des tariflichen Urlaubsumfanges auch die rechtsgeschäftliche Erklärung insb. von Arbeitnehmerseite liegt, ggf. auch Ausschlussfristen und sonstige nachteilige Regelungen des betreffenden Tarifvertrags gegen sich gelten lassen zu wollen (vgl. – Ersteres verneinend – BAG v. 26.9.1990 – 5 AZR 112/90; großzügig Etzel, NZA Beilage 1/1987, 19, 28).
1. Einzelne Verweisungsklauseln
a) Einbezug sämtlicher/einzelner Tarifverträge einer Branche
Rz. 68
Der Arbeitsvertrag kann sämtliche Tarifverträge einer Branche oder nur einzelne Tarifwerke einbeziehen.
Rz. 69
Muster 17.1: Einbeziehung von Tarifverträgen in den Arbeitsvertrag
Muster 17.1: Einbeziehung von Tarifverträgen in den Arbeitsvertrag
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung.
oder
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Eisen-, _________________________ und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens.
b) Globalverweisung/Teilverweisung
Rz. 70
Der Arbeitsvertrag kann einen Tarifvertrag oder mehrere Tarifverträge jeweils komplett (Globalverweisung) oder nur teilweise (Teilverweisung) einbeziehen, letzteres etwa mit der Klausel:
Rz. 71
Muster 17.2: Teileinbeziehung eines Tarifvertrages in den Arbeitsvertrag
Muster 17.2: Teileinbeziehung eines Tarifvertrages in den Arbeitsvertrag
Im Übrigen (oder: soweit im Folgenden nichts anderes vereinbart ist) richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages der Eisen-, _________________________ und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens.
Rz. 72
Im Fall einer Teilverweisung ist freilich die Vermutung für die Billigkeitsgewähr tariflicher Regelungswerke nicht ohne Weiteres gegeben, wenn nicht zumindest ein in sich geschlossener Regelungskomplex (z.B. Urlaubsvorschriften) in Bezug genommen wird. Spätestens bei einer bloßen Singularverweisung ist der Verzicht auf eine Inhaltskontrolle der einbezogenen Tarifbestimmung nicht mehr begründet (Diehn, NZA 2004, 129, 130).
Rz. 73
Bezieht eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel eine tarifliche Regelung ein, so ist dies regelmäßig als Bezugnahme auf den gesamten Regelungskomplex zu verstehen.
Rz. 74
Beispiel
Normiert ein Tarifvertrag, dass sich der Urlaub nach den einschlägigen tariflichen Regelungen richtet, so bezieht dies auch die Zahlung von Urlaubsgeld ein (BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05).
c) Dynamische/statische Verweisung
Rz. 75
Der Arbeitsvertrag kann einen Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung) oder in seiner bei Vertragsabschluss (oder auch zu einem früheren Zeitpunkt) geltenden Fassung (statische Verweisung) einbez...