Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 245
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Arbeitgeber selbst am Ende einer sechsmonatigen Probezeit kein eindeutiges Bild darüber gewonnen hat, ob der Arbeitnehmer für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist. In solchen Fällen ist es zwar möglich, die Probezeit durch eine Individualabrede mit dem Arbeitnehmer über die Dauer von sechs Monaten hinaus zu verlängern Diese Variante ist jedoch in der Praxis nicht zu empfehlen, da bei Überschreiten der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG in Betrieben, welche nach Maßgabe des § 23 KSchG dem allgemeinen Kündigungsschutz unterfallen, der allgemeine Kündigungsschutz greift, sodass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur noch bei sozialer Rechtfertigung kündigen kann.
Rz. 246
Eine nachträgliche Befristung des unbefristet eingegangenen Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der weiteren Erprobung ist ebenfalls nicht zu empfehlen. Zwar stellt die Befristung zur Erprobung nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG einen sachlichen Grund dar. Allerdings dürfte eine Befristung nach Maßgabe dieser Vorschrift aufgrund der gesetzlichen Wertung von § 622 Abs. 3 BGB und § 1 KSchG grds. nur für die anfängliche Befristung mit einer Probezeit von max. sechs Monaten gelten (vgl. Lembke, DB 2002, 2648 [BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01]).
Rz. 247
In einer Entscheidung v. 7.3.2002 hat das BAG jedoch zwei Möglichkeiten aufgezeigt, die eine Verlängerung der Probezeit gestatten (BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, DB 2002, 1997).
Rz. 248
Nach dieser Entscheidung kann ein Arbeitgeber, der die sechsmonatige Probezeit seines Arbeitnehmers als nicht bestanden ansieht, regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist, sondern – um dem Arbeitnehmer eine "Bewährungschance" zu geben – mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigen und dem Arbeitnehmer für den Fall einer "Bewährung" die Wiedereinstellung zusagen. Dabei sei eine Kündigungsfrist von 4 Monaten, welche unterhalb der längsten tariflichen Kündigungsfrist liege und dem Arbeitnehmer nur die Chance einer weiteren Bewährung und Möglichkeit einer Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus biete, im Lichte dieser Zwecke nicht zu beanstanden (BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, DB 2002, 1997). Das BAG ließ offen, ob eine Verlängerung der Kündigungsfrist, die allein oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers liege oder die längste tarifliche Kündigungsfrist überschreite, zu beanstanden ist.
Rz. 249
Dieselben Grundsätze wandte das BAG in dem entschiedenen Fall auf den dort von den Parteien gewählten "vorsorglichen Aufhebungsvertrag" an. Die Parteien hatten während der Probezeit einen Aufhebungsvertrag geschlossen, der das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt beenden sollte, welche 4 Monate nach Ablauf der eigentlichen Probezeit lag. Gleichzeitig hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellungszusage unter der Bedingung erteilt, dass er sich während der weiteren vier Monate des Arbeitsverhältnisses bewähre.
Rz. 250
In der Vertragsgestaltung hat das BAG keine Umgehung zwingenden Kündigungs- und Kündigungsschutzrechtes gesehen. Lege der Arbeitgeber ggü. dem Arbeitnehmer offen, dass er die Probezeit als nicht bestanden ansehe und vor Eintreten des Kündigungsschutzes kündigen möchte, er ihm aber gleichzeitig einen Aufhebungsvertrag zu einem, die kurze Probezeitkündigungsfrist angemessen überschreitenden Beendigungszeitpunkt anbiete und dies mit einer bedingten Wiedereinstellungszusage verbinde, so ersetze der dann abgeschlossene Aufhebungsvertrag nur eine Arbeitgeberkündigung während der Wartezeit des § 1 KSchG. Der Kündigungsschutz würde dadurch nicht tangiert.
Rz. 251
Das BAG hat ferner ausgeführt, dass ein Aufhebungsvertrag, der seinem Regelungsgehalt nach nicht auf eine alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sei, zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes i.S.d. Befristungskontrollrechtes bedürfe. Bestehe der Regelungsgehalt der von den Parteien getroffenen Vereinbarung in einer befristeten Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses, könne eine funktionswidrige Verwendung der Möglichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, vorliegen. Dies gelte vor allem dann, wenn der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreite. Im entschiedenen Fall habe es sich jedoch gerade nicht um einen Aufhebungsvertrag gehandelt, der das Ende des Arbeitsverhältnisses um ein Vielfaches der Kündigungsfrist auf mehrere Jahre hinausschieben wollte. Die Parteien hätten vielmehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar nicht mit der ohnehin für eine weitere Bewährung zu kurzen einschlägigen Probezeit-Kündigungsfrist, aber immerhin mit einer Frist vereinbart, die einer der verlängerten Kündigungsfrist des anwendbaren Tarifvertrages entsprochen habe.
Rz. 252
Ist sich also der Arbeitgeber zum Ende d...