Rz. 46
Auch die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl muss gem. Art. 22 Abs. 4 EuErbVO den Formvorschriften für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen entsprechen. Insoweit wird für die Form also auf die entsprechende Regelung in Art. 2 des Haager Testamentsformabkommens bzw. Art. 27 Abs. 2 EuErbVO verwiesen. Danach wird der bunte Strauß der Anknüpfungen noch einmal erweitert. Es genügt nicht nur, dass die Verfügung nach den aufgrund der aktuellen Verhältnisse bestimmten Rechtsordnungen formgültig ist. Darüber hinaus ist die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl hinsichtlich ihrer Form auch dann gültig, wenn sie den Formerfordernissen einer der Rechtsordnungen entspricht, nach denen die geänderte oder widerrufene Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 EuErbVO bzw. nach Art. 1 Abs. 1 des Testamentsformübereinkommens gültig war. Freilich ist Vorsicht geboten: Das Formstatut der ursprünglichen Verfügung erstreckt sich hier nur auf den Widerruf bzw. die Modifikation, nicht aber auf in diesem Zusammenhang getroffene neue "positive" Verfügungen.
Rz. 47
Für die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf oder die Änderung einer Rechtswahl enthält die EuErbVO keine Regelung. Erwägungsgrund 40 S. 3 der EuErbVO enthält allein den Hinweis, dass das gewählte Recht auch für die Rechtshandlung gelten soll, mit der die Rechtswahl geändert oder widerrufen wird.
Rz. 48
Von dieser Frage der Wirksamkeit des Widerrufs zu trennen ist aber die Frage, ob der Widerruf überhaupt möglich ist oder ob die ursprüngliche Rechtswahl Bindungswirkung entfaltet (Widerruflichkeit der Rechtswahl). Diese Frage soll nach wohl allgemeiner Ansicht nicht dem neu gewählten Recht unterliegen, sondern dem für die ursprüngliche Rechtswahl geltenden Recht. Es gilt also das durch die widerrufene Rechtswahl gewählte Recht. Sieht dieses für die Rechtswahl eine Bindungswirkung vor, so bleibt die ursprüngliche Rechtswahl bindend, auch wenn das neu gewählte Recht oder das am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltende Recht eine Bindungswirkung nicht kennt. Nachdem § 2278 Abs. 2 und § 2270 Abs. 3 BGB im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der EuErbVO entsprechend geändert worden sind, kann auch eine Rechtswahl erbvertraglich bindend bzw. bei Wechselbezüglichkeit mit entsprechenden Widerrufserschwerungen getroffen werden. Bei Wahl deutschen Erbrechts kommt daher ein Ausschluss der Widerruflichkeit in Betracht.
Darüber hinaus wäre aber zu beachten, dass selbst dann, wenn das deutsche Recht in widerruflicher Weise gewählt wurde und auf der Basis des deutschen Errichtungsstatuts bindende Verfügungen materieller Art getroffen wurden, eine Änderung der Rechtswahl insoweit ausgeschlossen wäre, wie sie die Stellung des durch die bindenden Verfügungen Begünstigten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).
Rz. 49
Praxishinweis
Der Vertragserbe eines deutschen Erblassers sollte daher nicht nur darauf achten, dass die zu seinen Gunsten getroffenen Verfügungen mit Bindungswirkung angeordnet werden. Der Erbe könnte dann durch Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen Staat mit stärkeren Pflichtteilsquoten die Position des Vertragserben beeinträchtigen. Zugleich sollte dann auch die Position des Vertragserben durch eine vertragsmäßige und damit unwiderrufliche Wahl deutschen Rechts als Erbstatut abgesichert werden.