Claudia Wagener-Neef, Frank-Michael Goebel
aa) Feststellung des Verzugsschadens
Rz. 231
Anders als für die Tätigkeit des Rechtsanwalts existiert für die Tätigkeit des Inkassodienstleisters keine Gebührenordnung.
In entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB ist danach
▪ |
entweder die vereinbarte Vergütung oder aber |
▪ |
die ortsübliche Vergütung als Schaden |
entstanden. Dies gilt ob der Privatautonomie grundsätzlich auch bei der Beauftragung des Inkassodienstleisters im Vollstreckungsverfahren.
Rz. 232
Hinweis
Dies betrifft zunächst nur das Verhältnis des Inkassodienstleisters zum Gläubiger (Abrechnungsverhältnis) und führt nur zur Feststellung welcher Schaden – berechtigt – entstanden ist. Zur Frage, ob der Erstattungsanspruch des Gläubigers gegenüber dem Schuldner den gesamten Schaden umfasst, beantwortet sich nach § 254 Abs. 2 BGB sowie § 13 RDG.
Rz. 233
Welche Vergütung für die Inkassotätigkeit als ortsüblich angesehen werden kann, muss im Einzelfall bestimmt, ggf. im Erkenntnisverfahren durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden.
Rz. 234
Hinweis
Der BGH hatte sich in seiner Entscheidung vom 3.2.2005 mit den Kostenregelungen in AGB eines Inkassounternehmers im Verhältnis zu seinem Auftraggeber auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang hat er ebenso wie das in der Vorinstanz entscheidende OLG Hamm, einen Stundensatz von 50,00 EUR unbeanstandet gelassen. Dies betrifft aber nur den Fall der Abrechnung nach Einzelleistungen. Die Praxis der Inkassodienstleister zeigt heute, dass sie sich nahezu durchgängig an das RVG anlehnen und mit dem Gläubiger die analoge Anwendung des RVG vereinbart wird. Die Gebührensätze des RVG werden durchweg als ortsüblich angesehen werden können.
bb) Beachtlichkeit der Schadensminderungspflicht
Rz. 235
Soweit die vorbeschriebenen Anspruchsgrundlagen einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach ergeben und der entstandene Schaden in Form der Inkassokosten der Höhe nach feststeht, muss geprüft werden, ob diese als Verzugsschaden auch in voller Höhe vom Schuldner zu ersetzen sind. Im Übrigen aber mit gleichem Inhalt ist § 13e RDG (früher § 4 Abs. 4 und 5 RDGEG) zur Anwendung zu bringen.
Rz. 236
Löwisch hat zu Recht darauf hingewiesen, dass als Ausgangspunkt zunächst von der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit aller gemachten Aufwendungen auszugehen ist und dann in Anwendung von § 254 BGB gefragt werden muss, ob der Gläubiger im konkreten Fall die Aufwendungen überhaupt und in der gemachten Höhe für erforderlich (notwendig) halten durfte. Der Begrenzung der Erstattungsfähigkeit der vom Gläubiger verursachten Inkassokosten unterliegt dabei der Grundgedanke, dass vermieden werden soll, dass der Schuldner durch die Inanspruchnahme eines Inkassounternehmens doppelt belastet wird, wenn die Forderung später auch noch gerichtlich geltend gemacht werden muss und hierfür ein Rechtsanwalt zu beauftragen ist. Zugleich soll der Geschädigte (Gläubiger) immer auch Rücksicht auf die Belange des Schädigers (Schuldner) nehmen müssen und die "Produktion" von Kosten nicht als versteckte Bestrafung einsetzen dürfen.
Rz. 237
Dem ist zunächst allein dadurch Rechnung getragen, dass die Kosten insgesamt nicht höher liegen dürfen, wie wenn ausschließlich ein Rechtsanwalt nach den Bestimmungen des RVG beauftragt wurde, § 13e RDG. Die Vergütung kann dann nicht doppelt anfallen. Anrechnungsvorschriften sind zur Anwendung zu bringen. Das ist keine Frage der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten, sondern der konkreten Berechnung der Höhe im Einzelfall.
Rz. 238
Hinweis
Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, statt der Beauftragung eines Inkassodienstleisters oder eines Rechtsanwalts das Inkasso selbst zu betreiben. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine solche Verpflichtung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner ergeben soll, da der Gläubiger den hierbei entstehenden sachlichen und personellen von ihm vertraglich aber nicht geschuldeten Aufwand möglicherweise deshalb nicht vergütet erhält, weil er ihn überhaupt nicht spezifisch bestimmen kann.
Rz. 239
Schon früh ist die Frage aufgeworfen worden, welche Bemühungen um die Einziehung einer Forderung zum eigenen Pflichtenkreis des Gläubigers gehören und deshalb von ihm ohne besondere Entschädigung zu erbringen sind. Löwisch hat dies 1986 weiterentwickelt und formuliert "Was [an Eigenbemühungen] üblich ist, bestimmt die Verkehrsauffassung und nicht der Gläubiger". Hieraus hat er abgeleitet, dass man von einem Kleinunternehmer nicht mehr verlangen könne, als dass er einer verzugsbegründenden Mahnung eine zweite folgen lasse. Bei größeren Unternehmen müsse man dagegen auch noch die Androhung der Einleitung gerichtlicher Schritte oder der Übergabe der Einziehung an ein Inkassodienstleister verlangen können. Wenn man diesen Ausgangspunkt teilt, darf heute der Wandel der Verkehrsauffassung nicht übersehen werden. Es entspricht dem modernen Wirtschaftsleben, dass Unternehmen immer mehr Aufgaben an Serviceunternehmen ausla...