Rz. 568

Vorvertragliche Obliegenheitsverletzungen werden in den MB/KK nicht geregelt. Somit ist für Neuverträge auf die allgemeinen Bestimmungen des VVG, hier insbesondere § 19 VVG zurückzugreifen. Gemäß § 19 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihn bekannten gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat.

 

Rz. 569

Bei Altverträgen ist allerdings in Bezug auf die Frage, ob eine Anzeigepflichtverletzung vorliegt, weiterhin auf § 16 VVG a.F. abzustellen, wobei sich aber die Rechtsfolgen nach neuem VVG richten, wenn die Rücktrittserklärung durch den Versicherer ab 1.1.2009 erfolgt ist. Somit ist zunächst zu prüfen, wann der Versicherungsvertrag begonnen hat.

 

Rz. 570

Bei Neuverträgen ist betreffend der Rechtsfolgen auf § 21 VVG zurückzugreifen, allerdings unter Berücksichtigung der in § 194 Abs. 1 VVG vorgesehenen Besonderheiten, wonach zum einem § 19 Abs. 4 VVG auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Zum anderen beläuft sich abweichend von § 21 Abs. 3 S. 1 VVG die Frist zur Geltendmachung der Rechte des § 21 VVG des Versicherers wie auch schon zuvor auf drei Jahre beläuft.

 

Rz. 571

Sowohl das Recht auf Vertragsanpassung als auch das Rücktrittsrecht müssen vom Versicherer innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung gem. § 21 Abs. 1 VVG schriftlich geltend gemacht werden. Unabhängig von einer Kenntnis des Versicherers unterliegen das Recht auf Vertragsanpassung und Rücktritt der durch § 194 Abs. 1 S. 4 VVG verkürzten Frist von drei Jahren.

 

Rz. 572

Grundsätzlich ohne Einschränkung steht dem Versicherer das Recht zur Anfechtung des Vertrages bei arglistiger Täuschung zu. § 22 VVG ist auch auf die Krankenversicherung anwendbar. Die Anfechtungsfrist ergibt sich aus § 124 Abs. 1 BGB. Eine Anfechtung kann allerdings nach den Änderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht mehr wie früher unbefristet ausgeübt werden, sondern nur noch 10 Jahre ab Vertragsschluss, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherungsfall innerhalb der 10-Jahres-Frist eingetreten war. Denn die in § 21 Abs. 3 VVG getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des Versicherers gemäß § 19 Abs. 2 bis Abs. 4 VVG ist auf die für die Arglistanfechtung geltende 10-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumung ohne Einfluss.[373]

 

Rz. 573

Da die Ausschlussfrist durch das Schuldrechtsänderungsgesetz im Hinblick auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung verkürzt wurde, ist die Übergangsregelung in Art. 229 Abs. 6 Abs. 4 EGBGB zu beachten. Diese Frist lief für alle Altverträge, die vor der Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes abgeschlossen wurden, mit dem 31.12.2011 ab. Daher können auch Verträge, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, durch den Krankenversicherer nicht mehr wirksam angefochten werden. Ob Leistungsanträge bewusst erst nach Ablauf der Ausschlussfrist gestellt wurden, ist hierfür ohne Belang.

 

Rz. 574

Grundsätzlich kommt nach der VVG-Reform nur noch den vom Versicherer in Textform gestellten Fragen Bedeutung zu und es ist genau zu prüfen, wonach er fragt. Es besteht keine spontane Anzeigepflicht mehr. Eine Vermutung der Gefahrerheblichkeit in Bezug auf in Textform gestellte Fragen gibt es nicht mehr.

 

Rz. 575

Das OLG Hamm[374] hatte sich mit der Prüfung eines Rücktritts wegen nicht angezeigter Schwangerschaftskomplikationen und einem Entschädigungs- und Schmerzensgeldanspruch wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auseinanderzusetzen. Nach § 20 Abs. 2 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts bei Prämien und Leistungen nur zulässig, wenn dessen Berücksichtigung für eine genaue Risikobewertung ein bestimmter Faktor ist. Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen nach § 20 Abs. 2 S. 2 AGG nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen, wobei auch die Kosten durch Behandlung von Schwangerschaftskomplikationen umfasst werden. Da Kosten von Schwangerschaft und Mutterschaft für Prämien und Leistungen unerheblich zu sein haben, können Krankheiten, die mit Schwangerschaft und Mutterschaft einhergehen, mangels jeglicher Erheblichkeit auch im Falle ihres Verschweigens weder zu Rücktritt noch Kündigung berechtigen. Ein dennoch erklärter Rücktritt ist unwirksam.

 

Rz. 576

Die Geltendmachung des Anspruchs auf eine angemessene Entschädigung in Geld unterliegt allerdings einer Ausschlussfrist von zwei Monaten gem. § 21 Abs. 5 S. 2 AGG. Abzustellen sei insoweit auf die Entstehung des Anspruches, der vorliegend in der Rücktrittserklärung unter Benachteiligung der Versicherungsnehmerin wegen ihres Geschlechtes gesehen wurde. Eine Wiederholung der Gründe für den Rücktritt im Prozess mag sich als dauerhafte Diskriminierung darstellen, führt aber nicht zur Annahme eines Dauerverstoßes bzw. eines Dauertatbestandes.

 

Rz. 577

Es blei...

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