Rz. 673
Viele Tarifbedingungen in der Krankentagegeldversicherung sehen vor, dass dann keine Versicherungsfähigkeit vorliegt, wenn Rente wegen Berufs- und/oder Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld bezogen werden. Bei einer entsprechend ausdrücklichen Regelung in den Tarifbedingungen bestehen gegen die Wirksamkeit derartiger Klauseln grundsätzlich keine Bedenken.
Rz. 674
Ob die Rente aus einer gesetzlichen oder einer privaten Versicherung bezogen wird, ist unerheblich.
Dies gilt auch dann, wenn der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente nur zeitlich befristet erfolgt, insbesondere auch, wenn der tatsächliche Rentenbezug niedriger ist, als es der Bezug des versicherten Krankentagegeldes wäre. Es ist auch unerheblich, ob eine private Berufsunfähigkeitsrente wegen dauernder oder sogenannter fingierter Berufsunfähigkeit gezahlt wird. Unter Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente ist bei rückwirkender Bewilligung der Zeitpunkt ab der erstmaligen Rentenbewilligung zu verstehen.
Rz. 675
Auch die rückwirkende Bewilligung einer Rente hat zur Folge, dass die Versicherungsfähigkeit rückwirkend entfällt. Geleistete Krankentagegelder können dann zurückgefordert werden.
Vor diesem Hintergrund ist in der Beratungspraxis zunächst der Umfang von Leistungen (Rente und Beitragsbefreiung) abzuklären, eventuell von einer verfrühten Beantragung einer Rente während des Krankentagegeldbezuges abzuraten und ein entsprechender Leistungsantrag zeitlich zu befristen, um einen anspruchsschädlichen Doppelbezug zu vermeiden. Es kann also durchaus zweckmäßig sein, den tatsächlichen Rentenbezug zu verzögern, soweit nicht ohnehin ein Beendigungsgrund nach § 15 Abs. 1 b MB/KT wegen Vorliegens von Berufsunfähigkeit in Betracht kommt.
Rz. 676
In der Rechtsprechung der Instanzgerichte überwiegt die Auffassung, dass eine Rückforderung von Krankentagegeldleistungen auch dann möglich ist, wenn der Berufsunfähigkeitsversicherer seine Leistungen nicht anerkennt, sondern kulanzweise oder aufgrund einer außervertraglichen Vergleichsregelung Leistungen erbringt.
Rz. 677
Dem ist nicht zuzustimmen.
Nachdem die Leistungen aus Kulanz oder aufgrund außervertraglicher Vereinbarung, gerade also nicht aufgrund Erfüllung der vertraglichen Voraussetzungen erbracht werden, steht nach hier vertretener Auffassung dem Rückforderungsrecht des Krankentagegeldversicherer bereits entgegen, dass ein Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit gerade nicht feststeht. Denn es handelt sich um eine freiwillige Leistung, unabhängig davon, in welcher Höhe und für welche Dauer diese erbracht wird – und damit um eine außervertragliche Leistung des Berufsunfähigkeitsversicherers. Meist ist eine zeitliche Zuordnung der Leistungsdauer zudem nicht möglich.
Rz. 678
Dem Krankentagegeldversicherer ist es verwehrt, inzidenter zu prüfen, ob die Leistungen wegen festgestellter oder fingierter Berufsunfähigkeit vom Versicherer hätten anerkannt werden müssen, wenn die Vertragsparteien im Wege der Privatautonomie außervertragliche Leistungen vereinbaren oder lediglich Kulanzzahlungen erbracht werden.
Weder handelt es sich um eine Rentenleistung an sich, noch um eine Rentenleistung wegen Berufsunfähigkeit, noch steht fest, dass eine vertragliche Leistung des Berufsunfähigkeitsversicherers vorliegt. Insbesondere stellt sich aus dem Blickwinkel des durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine Kulanzleistung nicht als tatsächlicher Rentenbezug dar, denn wenn ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit tatsächlich bestanden hätte und dies dem Versicherungsnehmer bewusst gewesen wäre, hätte er mutmaßlich keine bloße Kulanzzahlung akzeptiert, die ihn regelmäßig gegenüber einem Bezug der versicherten Berufsunfähigkeitsrente schlechter stellt.
Eine Rückforderung des Krankentagegeldversicherers hat in dieser Fallkonstellation daher nach hier vertretener Auffassung keine rechtliche Grundlage.
Für den Fall der Erbringung einer Leistung eines Berufsunfähigkeitsversicherers in Form einer einmaligen Kapitalabfindung hat das LG Nürnberg einen Rückforderungsanspruch wegen Beendigung aufgrund Bezuges von Berufsunfähigkeitsrente zu Recht abgelehnt.
Rz. 679
Der BGH hat zwar darauf hingewiesen, dass wegen der Spezialität der Berufsunfähigkeitsversicherung einerseits und der Krankentagegeldversicherung andererseits Leistungen aus beiden Versicherungen zwar nacheinander, jedoch nicht gleichzeitig gewährt werden können. Dieser Grundsatz der Spezialität kommt auch im Sozialversicherungsrecht zum Ausdruck, da nach § 50 Abs. 1 SGB V der Anspruch auf Krankentagegeld mit dem Tag endet, von dem an eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit, wegen voller Erwerbsminderung oder Altersruhegeld gezahlt wird. Selbst wenn die Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht die Höhe des ursprünglichen Nettoeinkommens erreicht, spielt dies wegen der Spezialität keine Rolle, da der Versicherungsnehmer seine Berufsunfähigkeit höher hätte versichern können.
Dieser Aussage lag allerdings ein Vertrag mit au...