Rz. 279
Mit der Erstattungsfähigkeit von Kosten bei künstlicher Befruchtung musste sich der BGH des Öfteren befassen. Inzwischen ist eine Vielzahl von Entscheidungen zur Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung ergangen.
Rz. 280
Primäre Sterilität ist nach der Rechtsprechung des BGH als Krankheit anzusehen; deshalb sind die Kosten für deren Überwindung durch homologe In-vitro-Fertilisation (extrakorporale Befruchtung) erstattungsfähig. Der BGH hat sich erstmals in einer grundlegenden Entscheidung mit dem Fall befasst, in dem die Klägerin des Rechtsstreits empfängnisunfähig, ihr Ehemann hingegen zeugungsfähig war. Zugrunde lag ein Fall der homologen In-vitro-Fertilisation. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Ehefrau Eizellen entnommen, im Labor mit den nichtoperativ durch den Ehemann zur Verfügung gestellten Samenzellen befruchtet und der Frau anschließend wieder eingefügt werden. Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass die Kinderlosigkeit allein kein Krankheitszustand sei, da sie lediglich die Lebensumstände der Klägerin betreffe. Gleichwohl sei eine auf die gestörte Funktionsfähigkeit der Eileiter zurückzuführende Sterilität der Klägerin als Krankheit anzusehen; die Fortpflanzungsfähigkeit sei für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion. Damit stand fest, dass die gestörte Funktionsfähigkeit jedenfalls dann als Krankheit anzusehen und die Kosten ihrer Beseitigung erstattungsfähig sind, wenn die mangelnde Fertilität aufseiten des Versicherungsnehmers besteht.
Rz. 281
Im Kontext einer homologen In-vitro-Fertilisation eines gesunden, privat krankenversicherten Versicherungsnehmers wegen Sterilität des Ehemanns hat der BGH deutlich gemacht, dass eine Krankheit nur bei dem Ehepartner vorliegt, der organisch bedingt fortpflanzungsunfähig ist, nicht hingegen bei dem Ehepartner, bei dem der körperliche Zustand sich als regelrecht erweist.
Rz. 282
Der BGH hat die Kosten für die notwendige Mitbehandlung des nicht versicherten Ehepartners als erstattungsfähig angesehen: Die In-vitro-Fertilisation bildet zusammen mit der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienten insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes; die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Ein verständiger Versicherungsnehmer kann nicht damit rechnen, dass die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespaltet wird, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen können.
Rz. 283
Auch die sekundäre Sterilität ist eine Krankheit, so dass die Hormonbehandlung, die auf die Behebung der Hormoninsuffizienz und Heilung der Sterilität abzielt, medizinisch notwendige Heilbehandlung ist.
Rz. 284
Der BGH hat bisher noch nicht entschieden, ob die Kosten für die künstliche Befruchtung auch bei nichtverheirateten Paaren zu erstatten sind. In Rechtsprechung und Schrifttum ist dies umstritten.
Es wird die Auffassung vertreten, eine Leistungspflicht des Versicherers bestehe nur bei homologer In-vitro-Fertilisation, nicht hingegen bei heterologer Behandlung. Dies wird damit begründet, dass eine Krankheit, die darin liege, dass eine biologisch notwendige Körperfunktion fehle, bei einer unverheirateten Frau nicht gegeben sei. Die Überlegungen, die auf den in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gefassten Entschluss von Ehepartnern, ein gemeinsames Kind zu haben, zutreffen, könnten auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht übertragen werden. Zudem sprenge die Ausdehnung den Versicherungsschutz und belaste die Versichertengemeinschaft mit unzumutbaren Kosten.
Dies verstößt gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung nach Art. 3 GG. Der in der PKV herrschende Krankheitsbegriff lässt eine Unterscheidung zwischen verheirateten und nicht verheirateten Paaren nicht zu. Inzwischen haben einige Gerichte einen Anspruch auch bei unverheirateten Paaren zuerkannt.
Rz. 285
Für die GKV ist zwischenzeitlich durch das BVerfG entschieden worden, dass der Gesetzgeber die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für künstliche Befruchtung auf Ehepaare beschränken darf. Hierin sei kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu sehen, obschon gesetzlich versicherte Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ausgeschlossen und hierdurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell benachteiligt werden. Besondere Beachtung findet allerdings die Begründung in folgendem Punkt:
Rz. 286
Zitat
"Die dargestellte Ungleichbehandlung wäre allerdings im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würden die in § 27a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 ...