Rz. 512

Die Leistungspflicht des Versicherers ist gem. § 5 Abs. 1 b MB/KK bei auf Vorsatz beruhenden Krankheiten und Unfällen einschließlich deren Folgen ausgeschlossen.

Vorsatz ist die bewusste und gewollte Herbeiführung einer Krankheit oder eines Unfalls. Der Vorsatz muss sich auf die Krankheit bzw. den Unfall beziehen; liegt er vor, sind auch die Behandlungsfolgen der Krankheit oder des Unfalls von der Leistungspflicht ausgeschlossen.

Grobe Fahrlässigkeit führt nicht zum Ausschluss der Leistungspflicht. Diese Vorschrift weicht von § 81 VVG ab, der auf die Krankenversicherung nicht anwendbar ist (vgl. Spezialregelung in § 201 VVG).

 

Rz. 513

Hat die bewusste und gewollte Herbeiführung einer Krankheit oder eines Unfalls weitere Gesundheitsstörungen zur Folge gehabt, die über die Primärerkrankung hinausgehen, so sind diese vom Versicherungsschutz auch dann ausgeschlossen, wenn der Vorsatz sich auf diese nicht erstreckt hat.[334] Dies gilt indes nur, wenn es sich tatsächlich um Folgen der auf Vorsatz beruhenden Erkrankung handelt.

 

Rz. 514

Anders liegt es in dem Fall, in dem eine freiwillig herbeigeführte Sterilisation anderweitige gesundheitliche Beschwerden mit Krankheitswert verursacht hat. Nachdem der Sachverständige in einem solchen Fall eine Refertilisierung nicht nur als sinnvoll, sondern darüber hinaus auch als notwendig zu erachtete, wurden die hierdurch entstandenen Kosten als erstattungsfähig angesehen.[335] Nach Auffassung des Senats sind die genannten Gesundheitsbeschwerden, die durch die Refertilisierungsmaßnahme eine notwendige Heilbehandlung erfahren haben, nicht lediglich "Folgen" der freiwillig herbeigeführten Sterilität, sondern selbst Krankheiten, die möglicherweise durch den Zustand der Sterilität und die hierdurch genommene Möglichkeit, Kinder zu bekommen, hervorgerufen worden sind. Wollte man derartige psychogene Gesundheitsstörungen nur als bloße "Folgen" einer bestimmten, bewusst herbeigeführten Lebenssituation ansehen, nicht aber als selbstständige Krankheiten, liefe der Krankenversicherungsschutz in vielen Fällen leer.

 

Rz. 515

Bei Folgen von bewusster und gewollter Vornahme eines ärztlichen Eingriffs aus kosmetischen Gründen ist zunächst zu hinterfragen, ob durch den Eingriff ein krankhafter Zustand geschaffen wird.

Für den Fall der Einbringung von Brustimplantaten hat der BGH[336] ausgeführt, dass der durch eine solche Operation geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als "krankhaft" angesehen werde. Denn Behandlungsbedürftigkeit und Einfluss auf körperliche Funktionen sind damit in der Regel nicht verbunden. Es wird daher kein Zustand bedingungsgemäßer Krankheit geschaffen.

Spätere Komplikationen nach solchen Operationen sind daher nur dann vom Versicherungsschutz ausgenommen, wenn Folgeerkrankungen eintreten, die ihrerseits vom Versicherten zumindest billigend in Kauf genommen wurden. Der hierfür notwendige Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens- und eines Wollens-Elements in der Vorstellung des Handelnden.

Der BGH hat hervorgehoben, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigen Inkaufnahme abfindet. Denn regelmäßig lassen Patienten ärztliche Eingriffe in der Hoffnung vornehmen, dass diese erfolgreich und komplikationslos verlaufen. Zwar kann sich das Wissen um die Möglichkeit des Eintritts einer Folgeerkrankung aus der ärztlichen Aufklärung ergeben. Es ist jedoch stets im Einzelfall zu klären, welche Vorstellungen die versicherte Person mit einem bevorstehenden ärztlichen Eingriff konkret verbindet.

 

Rz. 516

Vorsatz wird überwiegend[337] verneint bei fehlgeschlagener ernsthafter Selbsttötungsabsicht im Hinblick auf die hierdurch hervorgerufenen Gesundheitsschäden. Dagegen geht das OLG Hamm[338] davon aus, dass bei einem ernsthaften Suizidversuch der Verletzungsvorsatz notwendiges Durchgangsstadium des Vollendungsvorsatzes ist. Letzterer Auffassung ist zuzustimmen, da für den angestrebten Tod zwingend eine schwere Gesundheitsschädigung vorausgehen muss, die als für den Eintritt des Todes notweniges Durchgangsstadium zumindest billigend in Kauf genommen wird.[339] Liegt dagegen ein vorgetäuschter Selbsttötungsversuch vor, sind die Verletzungsfolgen ohnehin unstreitig vom Vorsatz mit umfasst und die Leistungspflicht des Krankenversicherers ist ausgeschlossen.

 

Rz. 517

Bei Alkoholmissbrauch ist zu unterscheiden zwischen dem an sich vorsätzlichen Alkoholgenuss und den hierdurch hervorgerufenen Erkrankungen, auf die sich der Vorsatz nicht bezieht. Der Alkoholiker will diese Erkrankungen gerade nicht herbeiführen, so dass hier das Willensmoment unter Umständen fehlt. Bei fortgesetztem Alkoholgenuss kann bedingter Vorsatz bejaht werden ...

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