Rz. 575
Die Krankentagegeldversicherung stellt eine Verdienstausfallversicherung dar, die dann Versicherungsschutz bietet, wenn der Verdienstausfall Folge von Krankheit oder Unfall ist und vollständige Arbeitsunfähigkeit besteht. Sie kann von selbstständigen Erwerbstätigen wie auch von Lohn- und Gehaltsempfängern abgeschlossen werden und dient oftmals dem Ersatz für fehlenden Sozialversicherungsschutz.
Rz. 576
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen wird zunächst auf die Ausführungen zur Krankheitskostenversicherung verwiesen.
Im VVG finden sich ausschließlich für die Krankentagegeldversicherung geltende Vorschriften zur Möglichkeit der Befristung der Krankentagegeldversicherer in §§ 192 Abs. 5, 196 VVG.
Im Übrigen gelten einzelvertraglich vereinbarte AVB, in der Regel die vom Verband der privaten Krankenversicherer empfohlenen MB/KT. Die MB/KT 2009 haben in den letzten Jahren erhebliche Änderungen erfahren.
Der Kommentierung liegen die derzeitig vom Verband der privaten Krankenversicherer empfohlenen MB/KT 2009, Stand 06/2024, zugrunde.
I. Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes (§ 1 MB/KT, § 192 Abs. 5 VVG)
1. Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall
a) Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung
Rz. 577
Gegenstand der Krankentagegeldversicherung ist gem. § 1 MB/KT der Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfall, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird.
Rz. 578
Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer also verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen (§ 192 Abs. 5 VVG). Die nach den MB/KT 94 bzw. MB/KT 2009 abgeschlossene Krankentagegeldversicherung ist eine Summenversicherung. Einkommensminderungen führen daher nicht automatisch zu einer Minderung des Tagessatzes, sondern nur zu einem Anpassungsrecht des Versicherers für die Zukunft, wie § 4 Abs. 4 MB/KT es vorsieht.
Rz. 579
Die Krankentagegeldversicherung ist gerichtet auf die abstrakte Bedarfsdeckung durch pauschalierte Beträge, ebenso wie die Krankenhaustagegeldversicherung. Die Einordnung als Summenversicherung hat insoweit praktische Bedeutung, als ein Schaden weder vorausgesetzt wird noch nachgewiesen werden muss. Hieraus ergibt sich, dass nach h.M. die Vorschriften des VVG zur Schadensversicherung und insbesondere die Vorschriften des § 200 VVG (versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot) für die Summenversicherung nicht anwendbar sind. Auch § 86 VVG ist nicht anwendbar.
b) Versicherungsfall
Rz. 580
Der Versicherungsfall ist in der Krankentagegeldversicherung definiert als die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfall, soweit in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss unbedingt zu der medizinisch notwendigen Heilbehandlung hinzutreten; die krankheits- oder unfallbedingte Heilbehandlung allein führt nicht zum Versicherungsfall. Dabei ergibt sich aus § 4 Abs. 6 und 7 MB/KT, dass nur Ärzte und Zahnärzte zur ambulanten Behandlung zugelassen sind; die erforderliche Bescheinigung des behandelnden Arztes gem. § 4 Abs. 7 MB/KT kann somit auch nur von Ärzten bzw. Zahnärzten erstellt werden.
Rz. 581
Liegen mehrere zeitlich zusammenhängende Krankheiten oder Unfallfolgen vor, so ist von mehreren Versicherungsfällen nur dann auszugehen, wenn die Krankheiten oder Unfallfolgen in keinem ursächlichen Zusammenhang zueinander stehen.
Probleme können – umgekehrt – auch bei "Dauerleiden" auftreten. Auch in der Krankentagegeldversicherung ist die Behandlung der akuten Beschwerden ein eigener Versicherungsfall, selbst wenn das zugrunde liegende Leiden ebenfalls behandlungsbedürftig ist; anders verhält es sich jedoch etwa bei einer wegen Niereninsuffizienz erforderlichen Dialysebehandlung. Hier liegt ein einheitlicher Versicherungsfall vor, auch wenn Arbeitsunfähigkeit nur an den Dialysetagen besteht, da das Dauerleiden notwendig zu bestimmten Beschwerden führt, die nach vorübergehender Behandlung immer wieder erneut auftreten.
Gemäß § 1a MB/KT ist Versicherungsfall inzwischen auch der Verdienstausfall der weiblichen Versicherten, der während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes sowie am Entbindungstag entsteht, wenn die Versicherte in diesem Zeitraum nicht oder nur eingeschränkt beruflich tätig ist.
Die Abs. 2 und 3 enthalten Bestimmungen zur Berechnung des Anspruches sowie der Anrechenbarkeit von Mutterschaftsgeld, Elterngeld oder sonstiger Ersatzleistungen.
c) Definition "Arbeitsunfähigkeit"
Rz. 582
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 MB/KT liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keine...