Rz. 270
Nach der überwiegenden Instanzrechtsprechung ist die Notwendigkeit einer stationären Behandlung nur gegeben, wenn der angestrebte Erfolg nicht durch ambulante Behandlung erreicht werden kann. Im Umkehrschluss soll das keine stationäre Behandlung erfordern, was durch eine ambulante Behandlungsform in gleicher Weise geheilt oder gelindert werden kann. In diesem Fall bestehe kein Aufwendungsersatzanspruch betreffend stationäre Behandlungskosten bzw. kein Anspruch auf das womöglich versicherte Krankenhaustagegeld.
Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass es allein auf die medizinische Notwendigkeit und damit die medizinische Vertretbarkeit/Eignung der durchgeführten stationären Heilbehandlung ankomme und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese ambulant oder stationär durchgeführt werden kann.
Überwiegend herrscht jedoch die Auffassung vor, dass es nur dann vertretbar ist, eine stationäre Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen, wenn der angestrebte Behandlungserfolg nicht auch gleichermaßen durch ambulante Maßnahmen erzielt werden kann.
§ 192 Abs. 1 VVG unterscheidet selbst nicht zwischen ambulanter und stationärer Heilbehandlung. In § 4 Abs. 4 MB/KK wird der Begriff der "medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung" verwendet.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann allerdings nach hier vertretener Auffassung weder der gesetzlichen Regelung in § 192 Abs. 1 VVG noch § 4 Abs. 4 MB/KT einen allgemeinen Vorrang der ambulanten Behandlung oder ein Stufenverhältnis entnehmen.
Rz. 271
Ohnehin ist die Persönlichkeit des Versicherungsnehmers insoweit zu berücksichtigen, als etwa Alkoholmissbrauch oder Unzuverlässigkeit die Heilungschance einer nur ambulant durchgeführten Behandlung negativ beeinflussen kann. Weiter können seelische Erkrankungen eine stationäre Behandlung erforderlich machen, wenn psychische und physische Maßnahmen nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn die häusliche Umgebung ausgeschaltet wird.
Rz. 272
Einige Grundsätze hat das OLG Köln zur Abgrenzung von ambulanter und stationärer Behandlung wie folgt aufgestellt:
Eine stationäre Behandlung sei dann gegeben, wenn der Patient behandlungsbedingt zumindest für die Dauer eines vollen Tagesablaufes in den Krankenhausbetrieb eingegliedert wird, was aufgrund einer Gesamtabwägung der Umstände zu entscheiden sei. Indizien für eine stationäre Behandlung sind z.B. die geplante oder tatsächliche Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden, die Unterbringung, Pflege und Versorgung auf einer entsprechenden Fachstation, die Berechnung des Pflegesatzes durch das Krankenhaus, die Unterzeichnung eines Krankenhausaufnahmevertrages bzw. -antrages sowie der Einsatz spezifischer Mittel des Krankenhauses, über die eine für ambulante Behandlungen bzw. Operationen eingerichtete Praxis eines niedergelassenen Arztes typischerweise nicht verfügt.
Rz. 273
Bestreitet der Versicherer die Erstattungspflicht von Kosten einer stationären Heilbehandlung mit der Begründung, die Erkrankung habe ambulant behandelt werden können, so muss der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen, dass die stationäre Behandlung medizinisch notwendig war. Abzustellen ist dabei nicht abstrakt auf das zugrunde liegende Leiden, sondern auf die konkret durchzuführende bzw. durchgeführte Behandlung in der Klinik. Die Notwendigkeit der stationären Behandlung kann im Rechtsstreit regelmäßig durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bewiesen werden, das die konkrete Erkrankung, die ärztliche Feststellung hierzu sowie den konkreten Behandlungsverlauf berücksichtigt.
Rz. 274
Steht fest, dass eine stationäre Behandlung erforderlich war und besteht Streit hinsichtlich der Dauer eines solchen Krankenhausaufenthaltes, trifft den Versicherer die Beweislast für eine eventuelle Kürzung. Denn dann beruft er sich auf ein Leistungskürzungsrecht, für das der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet ist.
Rz. 275
Der Aufenthalt im Krankenhaus führt – bei Vorliegen einer entsprechenden Versicherung – gem. § 1 Abs. 1 b MB/KK zur Zahlung von Krankenhaustagegeld.