Rz. 124
Im Wesentlichen entspricht § 203 VVG den bisherigen Regelungen in § 178g VVG a.F.:
Neu ist die Änderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Prämienanpassung, wonach nicht mehr die Veränderung des Schadensbedarfs, sondern auch Veränderungen der Sterbewahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen sind.
Zudem ist gem. § 203 Abs. 4 VVG kein Treuhänderverfahren mehr erforderlich, wenn eine Bestimmung in AVB durch höchstrichterliche Entscheidung oder bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt wurde und ersetzt werden soll. Nunmehr findet die allgemeine Regelung zum Klauselersetzungsverfahren gem. § 164 VVG Anwendung.
1. Bedingungsänderung
Rz. 125
Die Möglichkeit der Änderung der Versicherungsbedingungen ist gesetzlich vorgesehen in § 203 Abs. 3 und Abs. 4 VVG. Der Versicherer, der zur Kündigung einer Krankenversicherung nicht befugt ist, soll die Möglichkeit haben, bestimmte Anpassungen vorzunehmen.
Möglich ist dies nach § 203 Abs. 3 VVG bei einer "nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens", sofern dies "zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer" erforderlich ist. Unter diesen Voraussetzungen darf der Versicherer Änderungen vornehmen; erforderlich ist allerdings in formaler Hinsicht, dass ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für die Änderungen überprüft und ihre Angemessenheit bestätigt hat.
Zudem ist über § 203 Abs. 4 VVG für den Fall, dass eine Bestimmung in den AVB durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt wurde, § 164 VVG anzuwenden, in dem für den Bereich der Lebensversicherung eine gesetzliches Bedingungsanpassung durch Klauselersetzung ohne Treuhänder geregelt ist.
Eine solche Änderung liegt nicht allein schon deshalb vor, weil eine Klausel in den AVB von der Rechtsprechung in einer für den Versicherer ungünstigen Weise ausgelegt wird.
Rz. 126
Gemäß § 164 Abs. 1 VVG kann der Versicherer eine durch höchstrichterliche Entscheidung oder bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärte Bestimmung in AVB nur dann durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrages notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne Neuregelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Neuregelung ist nur wirksam, wenn sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt.
§ 164 VVG ist gemäß Art. 1 Abs. 1 EG VVG auch in Altverträgen ab dem 1.1.2009 anwendbar und i.V.m. §§ 203, 208 VVG halbzwingend, so dass hiervon nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann. § 18 Abs. 2 MB/KK sowie § 18 Abs. 2 MB/KT wurden gleichlautend formuliert.
Nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 2 VVG wird die Neuregelung zwei Wochen, nachdem die Neuregelung und die hierfür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt worden sind, Vertragsbestandteil.
Rz. 127
Streitig ist, ob die Anpassung durch Klauselersetzung nur für die Zukunft wirkt, wie dies der amtlichen Begründung zu § 164 Abs. 2 VVG ausdrücklich zu entnehmen ist, oder aber auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt, also ex tunc.
Nach hier vertretener Auffassung ist eine Klauselersetzung nur mit Wirkung ex nunc möglich. Der Wortlaut des § 164 Abs. 2 VVG kann jedenfalls auch so verstanden werden, dass die Neuregelung erst mit dem Ablauf der dort geregelten Frist Vertragsbestandteil wird und ab diesem Zeitpunkt Wirkungen entfaltet, mithin erst zwei Wochen nach Mitteilung der neuen Regelung und der hierfür maßgeblichen Gründe gegenüber dem Versicherungsnehmer. Ansonsten würden zudem die Wirkungen des § 306 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Folgen unwirksamer AVB unterlaufen, wenn der Versicherer das ihm dort als Verwender zugewiesene Risiko unwirksamer AVB sogar rückwirkend korrigieren könnte. Soweit ersichtlich lehnt allerdings bislang lediglich das LG Köln ebenfalls eine Wirkung nur ex tunc ab.
Zur Vorgängerregelung des § 172 Abs. 2 VVG a.F. hatte der BGH eine Wirkung der Ersetzung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses angenommen. Eine Vergleichbarkeit ergibt sich schon deshalb nicht, weil in § 172 Abs. 2 VVG a.F. die Zustimmung des Treuhänders vorgesehen war. In dem nach § 164 BGB geregelten Klauselersetzungsverfahren bedarf es jedoch keiner Zustimmung eines Treuhänders mehr, was nach hier vertretener Auffassung eine andere Beurteilung rechtfertigt.
Rz. 128
Viele Krankenversicherer haben eine Klauselersetzung in Altverträgen in Bezug auf § 4 Abs. 4 MB/KT vorgenommen, soweit die vertragliche Regelung aufgrund des Urteils des BGH wegen Intransparenz als unwirksam angesehen wurde. Hinsichtlich der Wirksamkeit wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 2 und Abs. 4 MB/KT (vergl. Rdn 705 ff., 723 ff.) verwiesen.
Rz. 129
Frühere Klauseln in Krankenversicherungsverträgen, die dem Versicherer erlaubten, mit Zustimmung eines Treuhänders di...