Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
a) Einführung
Rz. 45
Nach diesseitiger Auffassung bedeutet die Formulierung in § 130d ZPO "schriftlich einzureichende Anträge", dass die elektronische Einreichpflicht nur für solche Anträge/Aufträge gelten kann, die unterschrieben (Schriftform) bei Gericht eingereicht werden müssen. Es ist also bei dieser Formulierung "schriftlich einzureichende Anträge" nicht einfach auf Anträge, die in Papierform, z.B. über Formular, einzureichen waren, abzustellen. Vielmehr: Papierform plus Unterschrift! Auch an anderen Stellen in der ZPO bedeutet "schriftlich" im Original unterschrieben, d.h. Schriftform, so z.B. die "schriftliche Vollmacht" nach § 80 ZPO, ebenso wie die "schriftliche Bürgschaft" nach § 108 ZPO. Wieso sollte also "schriftlich" ausgerechnet in § 130d ZPO nicht "Schriftform" bedeuten?
Rz. 46
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber hier jedoch u.E. keine ausreichend klare Regelung getroffen, zumal ihm bekannt sein musste, dass bereits seit Jahren zu der Frage, ob ZVA-Aufträge an GV und PfÜB-Anträge an das Vollstreckungsgericht unterschrieben sein müssen, Uneinigkeit herrscht.
b) Strittige Rechtsprechung zum Unterschriftserfordernis
Rz. 47
In der Vergangenheit haben sich in der Praxis die Stimmen gehäuft, die eine Originalunterschrift unter einem Zwangsvollstreckungsauftrag für erforderlich halten. Es werden auch in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Für die Erforderlichkeit einer Unterschrift des Rechtsanwalts haben sich zahlreiche Gerichte und Autoren ausgesprochen.
Rz. 48
Gegen die Erforderlichkeit einer Unterschrift haben sich ebenfalls einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung ausgesprochen. Goebel wirft z.B. die Frage auf, ob ein Vollstreckungsauftrag überhaupt einer Unterschrift bedarf. Eine entsprechende Anforderung enthielten die Vorschriften in den §§ 802a ff. ZPO und 828 ff. ZPO jedenfalls nicht, so Goebel. Auch würde im allgemeinen Vollstreckungsrecht § 754 ZPO kein Unterschriftserfordernis begründet sein. Ob allerdings die von Goebel zitierte BGH-Entscheidung heutzutage noch einschlägig ist, ist fraglich. Denn die damalige Entscheidung des BGH, dass eine bestimmte Form für den Vollstreckungsauftrag nicht vorgeschrieben ist, ist durch die Gerichtsvollzieherformularverordnung so nicht mehr richtig und damit möglicherweise auch nicht einschlägig. Zu Recht weist Goebel aber auch darauf hin, dass allerdings der BGH es dem Vollstreckungsorgan gestattet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Authentizität zu äußern, die dann beseitigt werden müssen. Sowohl das AG Bochum als auch das LG Frankfurt (Oder) sind der Auffassung, dass eine handschriftliche Unterschrift beim ZVA nicht erforderlich ist. In der DGVZ (Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung) sprechen sich zwei weitere Entscheidungen gegen die Erforderlichkeit einer Unterschrift bei einem Zwangsvollstreckungsauftrag aus.
Rz. 49
Die Frage, ob bis 31.12.2021 eine Unterschrift bei Beauftragung mittels ZV-Formular in Papierform benötigt wurde, es sich somit um "schriftlich einzureichende Anträge" handelt, ist daher u.E. von zentraler Bedeutung. Handelt es sich bei den ZV-Formularen um unterschriftsbedürftige Formulare (= "schriftlich einzureichende Anträge"), die vom anwaltlichen Vertreter zu unterzeichnen sind, käme § 130d ZPO (auch) bei Formularaufträgen zur Anwendung mit der Folge, dass sämtliche Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sowie sämtliche Zwangsvollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher zwingend seit dem 1.1.2022 elektronisch einzureichen sind.
Rz. 50
Davon, dass offenbar Zustellungs- und Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher seit 1.1.2022 zwingend elektronisch zu erfolgen haben, geht auch der DGVB e.V. (Deutscher Gerichtsvollzieherbund e.V.) aus, der in seiner Stellungnahme vom 8.1.2021 an das BMJV (zum ERVV-Ausbaugesetz) auf S. 2 Abs. 2 und 3 wie folgt ausführt:
Zitat
Stellungnahme DGVB:
"Bisher erfolgt die Einreichung von Vollstreckungs- und Zustellungsaufträgen noch überwiegend auf analogem Weg, weil die Barrieren für die Einreichung als zu hoch empfunden werden und auch für professionelle Antragssteller noch keine Verpflichtung zur elektronischen Einreichung besteht."
Ab dem 1.1.2022 sind diese Anträge verpflichtend als elektronisches Dokument zu übermitteln, wenn sie durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sodass auch für die Gerichtsvollzieher der elektronische Rechtsverkehr stark zunehmen wird.“
Rz. 51
Eine Anfrage per E-Mail an das BMJV wurde freundlicherweise dergestalt beantwortet, dass es sich nach "hiesiger Ansicht" (die aber natürlich keine Bindungswirkung für Gerichte hat) bei ZVAs an den GV und PfÜB-Anträgen (hiernach war gefragt) um schriftlich einzureichende Anträge handelt, für die § 130d ZPO und damit die elektronische Einreichpflicht gilt. Dabei wurde aber auf die strittige Rechtsprechung zum Unterschrifterfordernis nicht eingegang...