Rechtsanwälte müssen das beA auch in eigenen Angelegenheiten verwenden
In einem Eilverfahren hat das VG Berlin den Antrag eines Rechtsanwalts auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Zwangsvollstreckung von Beiträgen zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte als unzulässig zurückgewiesen, weil der Anwalt den Rechtsschutzantrag nicht elektronisch über sein beA eingereicht hatte.
Anwalt hat gegen Pflicht zur Verwendung des beA verstoßen
Das VG stützte seine Entscheidung auf § 55d Satz 1 VwGO, wonach Rechtsanwälte verpflichtet sind, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument an das Gericht zu übermitteln. Gegen diese seit dem 1.1.2022 zwingende Vorschrift habe der Anwalt mit seinem Ende Januar 2022 eingereichten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verstoßen.
Anwalt behauptet technische Störungen seines beA
Der Antragsteller ist Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin und wendete sich mit seinem Rechtsschutzantrag gegen eine vom Versorgungswerk betriebene Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Mit Telefax vom 24.1.2022 sowie mit einer am 26.1.2022 bei Gericht schriftlich eingegangenen Antragsschrift beantragte der Antragsteller die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Die lediglich analoge Einreichung seines Schriftsatzes begründete er mit technischen Zugangsstörungen seines beA, die bisher nicht hätten behoben werden können. Außerdem sei er nicht als Rechtsanwalt eines Mandanten, sondern in eigener Sache tätig geworden. Dafür gelte die Pflicht zur Verwendung des beA nicht.
Begrifflichkeit der VwGO-Vorschrift zum beA ist unklar
Das VG setzte sich in seiner Entscheidung ausführlich mit dem personellen Anwendungsbereich des § 55d Satz 1 VwGO auseinander. Dem Wortlaut des § 55d VwGO sei nicht zu entnehmen, ob dort der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird.
- Wäre der Begriff des Rechtsanwalts in dieser Vorschrift rollenbezogen, so wäre der Anwendungsbereich der Vorschrift nach Auffassung des VG nur in den Fällen eröffnet, in denen der Rechtsanwalt formal als Prozessvertreter auftritt.
- Bei einem rein statusbezogenen Verständnis des Begriffs des Rechtsanwalts komme es demgegenüber lediglich darauf an, dass es sich bei der handelnden Person um einen zugelassenen Rechtsanwalt handelt.
Muss dem Anwalt als Privatperson der Zugang zu den Gerichten auch analog möglich sein?
Nach der Auffassung des VG ist diese Unterscheidung von grundlegender Bedeutung. Trete der Rechtsanwalt in einer eigenen Angelegenheit nicht formal als Anwalt, sondern als Privatperson auf, so könne es der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und auf Justizgewährung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbieten, einem Rechtsanwalt wegen der Verletzung beruflicher Pflichten im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs den Zugang zu den Gerichten in eigenen, privaten Angelegenheiten zu verwehren. Der Zugang eines Anwalts zur Justiz in einer eigenen Angelegenheit könne nach diesen Prinzipien nicht davon abhängig sein, ob der Anwalt über ein ordnungsgemäß eingerichtetes und technisch einwandfreies beA verfügt.
Antragsteller ist formal als Rechtsanwalt aufgetreten
Im vorliegenden Fall konnte die Klärung dieser rechtlichen Problematik nach Auffassung des VG offenbleiben. Der personelle Anwendungsbereich des § 55d Satz 1 VwGO sei hier in jedem Fall eröffnet, weil der Antragsteller als anwaltlicher Vertreter seiner eigenen Person aufgetreten sei. Er habe formal unter dem Briefkopf seiner Anwaltskanzlei als Rechtsanwalt gehandelt, der sich selbst vertreten habe. Diese bewusst gewählte Vorgehensweise habe u.a. zur Folge, dass der Anwalt im Falle eines Obsiegens gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Erstattung seiner Gebühren und Auslagen verlangen könnte (OLG Köln, Beschluss v. 19.2.2018, 17 W 198/17).
Pauschaler Hinweis auf technische Probleme rechtfertigt keine Ausnahme vom beA
Die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 55d Satz 3 VwGO kam nach Auffassung des VG hier nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine schriftliche, analoge Einreichung von Schriftsätzen ausnahmsweise zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die pauschale Behauptung technischer Störungen des beA rechtfertige eine solche Ausnahme nicht. In solchen Fällen müsse der Anwalt die Art, den Zeitpunkt und die näheren Umstände dieser Zugangsstörungen substantiiert darlegen und glaubhaft machen (BGH, Beschluss v. 8.3.2022, VI ZB 25/20). Dies habe der Antragsteller nicht getan.
Rechtsschutzantrag im Ergebnis unzulässig
Mit diesen Argumenten kam das VG zu dem Ergebnis, dass der Antrag des Anwalts auf einstweiligen Rechtsschutz nicht ordnungsgemäß bei Gericht eingegangen und damit als unzulässig zurückzuweisen war.
(VG Berlin, Beschluss v. 5.5.2022, 12 L 25/22)
BGH zum fristgerechten Eingang einer Berufungsbegründung über das beA
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