Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
Rz. 23
Der Erwerb von inländischem Betriebsvermögen, von inländischem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit – im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) – Sitz oder Geschäftsleitung im Inland kann nach den §§ 13a, 13b, 13c, 19a, 28, 28a ErbStG begünstigt sein. Die Begünstigungen gelten für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Anteilen an Kapitalgesellschaften in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat entsprechend. Voraussetzung für die Begünstigung von Betriebsvermögen ist, dass ein Erwerber einen (Teil-)Betrieb oder Mitunternehmeranteil durch erbschaftsteuerbaren Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG) oder durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) erwirbt. Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, dass der Erblasser bzw. Schenker an der Kapitalgesellschaft unmittelbar zu mehr als 25 % (zur Möglichkeit der Poolung s. Rdn 30), beteiligt war (Mindestbeteiligung).
a) Erwerbsvorgänge
Rz. 24
§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG setzt keinen Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung voraus, sondern ordnet ohne Anknüpfung an bestimmte Erwerbsvorgänge für alle Erwerbsvorgänge nach dem ErbStG die Gewährung der Verschonung an, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Ungeachtet dessen geht die Verwaltung in R E 13b.1 Abs. 4 und R E 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2019 davon aus, dass der Erblasser von ihm stammendes Vermögen dem Erwerber zuweisen bzw. im Fall der mittelbaren Schenkung die Beteiligung am Vermögen des Schenkers erfolgen muss. Diese restriktive Auslegung, die letztendlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal Stoffgleichheit des erworbenen und übertragenen Vermögens fordert, findet im Gesetz keine Stütze und ist für den Unternehmens- und Arbeitsplatzerhalt nicht zwingend. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass über einen vorgeschalteten Erwerb des begünstigungsfähigen Vermögens durch den Schenker mit anschließender Schenkung an den Dritten durch eine relativ einfache Gestaltung dasselbe Ergebnis erreicht werden kann. Rückenwind hat die Finanzverwaltung durch den BFH erhalten, der die Sicht der Finanzverwaltung bestätigt hat.
b) Begünstigungsfähiges Vermögen
Rz. 25
Begünstigungsfähig sind unverändert neben dem Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bei
Personenunternehmen:
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Betriebe, |
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Teilbetriebe und |
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Mitunternehmeranteile nach §§ 18 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, also auch Mitunternehmeranteile an gewerblich infizierten und geprägten Mitunternehmerschaften; |
Kapitalgesellschaften:
Anteile an Kapitalgesellschaften, sofern der Erblasser/Schenker an der Kapitalgesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung).
aa) Verschonungseingangsprüfung
Rz. 26
Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist die Verschonung im vollen Umfang ausgeschlossen, wenn das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 ErbStG min. 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens erreicht (sog. Verschonungseingangsprüfung). Die Verwaltungsvermögensquote von 90 % ist nach dem Gesetz so zu ermitteln, dass
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die Saldierung des Verwaltungsvermögens, das der Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen dient, mit diesen Verpflichtungen (Ausnahme: das Deckungsvermögen, das durch Treuhandverhältnisse insolvenzgesichert ist), |
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die Schuldenverrechnung und der Sockelbetrag im Rahmen des Finanzmitteltests (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG), |
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die Schuldenverrechnung nach § 13b Abs. 6 ErbStG (Nettowert des Verwaltungsvermögens) und |
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die Unterscheidung des Verwaltungsvermögens in schädliches und unschädliches Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 7 ErbStG) |
nicht zu berücksichtigen sind.
Bemerkenswert ist an dieser Bestimmung, dass sie ungeachtet der Umstellung des Verwaltungsvermögenssystems auf eine Nettobetrachtung (§ 13b Abs. 6 ErbStG, s. Rdn 27) ausgerechnet bei der Zugangsvoraussetzung zum Verschonungssystem auf den überkommenen Vergleich von Bruttogröße (Verwaltungsvermögen vor Schuldenverrechnung/-zuordnung) zu Nettogröße (gemeiner Wert des begünstigungsfähigen Vermögens) rekurriert. Diese Gesetzeskonzeption kann wegen ihrer offensichtlichen Absurdität und ihrer strukturell zu willkürlichen Ergebnissen tendierenden Rechtsfolgen verfassungsrechtlichen Ansprüchen an ein Mindestmaß sachgerechter Abgrenzungslogik nicht genügen. Zumindest bei Handelsunternehmen hat der BFH zwischenzeitlich entschieden, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG dahingehend verfassungskonform teleologisch zu reduzieren sei, dass entgegen dem Wortlaut die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind. Offen ist, ob der BFH diese verfassungskonforme Auslegung auf reine Handelsunternehmen beschränkt, wofür es u.E. keine sachliche Rechtfertigung gibt und wie diese Handelsunternehmen von weiteren Unternehmenstypen abgrenzt werden sol...