Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
Rz. 130
Ab dem Zeitpunkt der Beurkundung der Satzung liegt eine Vorgesellschaft vor, die zivilrechtlich als werdende Kapitalgesellschaft im Wesentlichen dem Statut der eingetragenen Gesellschaft unterstellt wird und sich identitätswahrend in die eingetragene Kapitalgesellschaft wandelt.
Handelt es sich um eine echte Vorgesellschaft, die letztlich tatsächlich eingetragen wird, dürfte sich die Rechtsnachfolge unzweifelhaft nach den für die eingetragene Kapitalgesellschaft geltenden Regeln richten (§ 15 Abs. 1 GmbHG; §§ 1922, 1942 BGB). Unklar ist gleichwohl, wie die echte Vorgesellschaft zu verstehen ist. Das Ertragsteuerrecht folgt dem traditionellen gesellschaftsrechtlichen Verständnis, das die Vorgesellschaft als eine Gesamthandsgesellschaft qualifiziert, auf die Kapitalgesellschaftsrecht anzuwenden ist, soweit dies nicht die Eintragung der Gesellschaft voraussetzt. Eine im Vordringen befindliche gesellschaftsrechtliche Auffassung behandelt dagegen die Vorgesellschaft als werdende juristische Person, als Rechtsgebilde eigener Art, das mit der späteren juristischen Person identisch ist.
Rz. 131
Schwierigkeiten bereitet indessen die sog. unechte Vorgesellschaft, bei der die Eintragung letztlich scheitert, die aber nicht umgehend nach der Aufgabe der Eintragungsabsicht liquidiert wird; die unechte Vorgesellschaft wird allgemein als Personengesellschaft qualifiziert. Der Wandel der echten zur unechten Vorgesellschaft ist für die traditionelle Auffassung unproblematisch, während die im Vordringen befindliche Auffassung einen Formwechsel "kraft Rechtsformverfehlung" oder eine Liquidation der echten Vorgesellschaft annehmen muss.
Rz. 132
Für die Rechtsnachfolge sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer echten Vorgesellschaft mit nachfolgender Eintragung, |
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer echten Vorgesellschaft und nachfolgende Wandlung zur unechten Vorgesellschaft, |
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer unechten Vorgesellschaft. |
Problematisch ist die zweite Konstellation. In der ersten Konstellation ist Erwerbs- und Bewertungsgegenstand seitens des Nachfolgers je nach zivilrechtlichem Vorverständnis ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft, in der dritten Konstellation an einer Personengesellschaft. Aus dieser Qualifikation folgen die entsprechenden Konsequenzen für die erbschaftsteuerliche Verschonung. Folgt man in der zweiten Konstellation der im Vordringen befindlichen Auffassung, kommt man um die – möglicherweise begünstigungsschädliche – Annahme eines Formwechsels oder einer Liquidation der Vorgesellschaft nicht herum; folgt man dagegen der traditionellen Auffassung, wäre der Wandel von der echten zur unechten Vorgesellschaft begünstigungsunschädlich.