Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
Rz. 45
Mit der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG), die wie die Abschmelzungsregelung des § 13c ErbStG ab einer Größenordnung des begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR eingreift, befolgt der Gesetzgeber eine Vorgabe des BVerfG, das beanstandet hatte, dass auch bei großen Vermögen die Verschonungen des alten Rechts ohne individuelle Bedarfsprüfung gewährt wurden.
Auf Antrag (sofern kein Antrag nach § 13c ErbStG gestellt wird, § 28a Abs. 8 ErbStG) wird die individuelle Verschonungsbedürftigkeit schematisch geprüft. Der Erwerber, der den (vorläufigen, § 28a Abs. 4 ErbStG) Teilerlass nach dieser Norm in Anspruch nehmen möchte, muss jeweils 50 % seines persönlichen Vermögens, soweit dieses nicht begünstigtes Vermögen darstellen würde, und 50 % des mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich erworbenen Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen gehört, für die Steuerzahlung einsetzen, damit ihm der Rest widerruflich erlassen wird. Die 50 % des nicht begünstigten Vermögens, welche zur Begleichung der Erbschaftsteuer eingesetzt werden müssen, unterliegen aber selbst der Erbschaftsteuer, wenn diese entweder im Rahmen der Unternehmensnachfolge auf den Erwerber übergehen oder zuvor unentgeltlich erworben worden sind. Bezogen auf dieses nicht begünstigte Vermögen kann die Steuerbelastung – abhängig vom Wert des Vermögens und der Steuerklasse – 80 % bis 100 % betragen.
Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass die Norm des § 28a ErbStG Steuerfreibeträge oder Steuerbefreiungen unberücksichtigt lässt, sodass der Erwerber auch das steuerfreie Familienheim, den Hausrat oder steuerfreie Kunst zur Hälfte einsetzen muss. Dies gilt genauso für nicht begünstigtes Betriebsvermögen, sodass z.B. ein GmbH-Anteil von 25 %, der voll begünstigt gewesen wäre, wenn die erforderliche Mindestbeteiligung erreicht worden wäre, zu 50 % eingesetzt werden muss, um die Erbschaftsteuer für einen begünstigten Mini-Mitunternehmeranteil im Wert von über 26 Mio. EUR erlassen zu bekommen. Dies zeigt nochmal eindrucksvoll zu welchen absurden Ergebnissen das aktuelle Recht führen kann.
Die Gewährung des Erlasses ist beim Vorliegen der Voraussetzungen nicht von einer Ermessensausübung des Finanzamts abhängig, sondern eine gebundene Entscheidung.
Nach § 28a Abs. 3 ErbStG "kann" die nach dem Teilerlass verbleibende Steuer bis zu sechs Monaten verzinslich gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte bedeuten würde (vgl. bereits § 222 AO). Das Gesetz enthält zwei Regelbeispiele, in denen eine erhebliche Härte "insbesondere" vorliegt: der Erwerber muss einen Kredit aufnehmen oder der Erwerber muss verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG veräußern um die Steuer entrichten zu können.
Der Erlass steht allerdings unter den "auflösenden Bedingungen", dass
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die Lohnsummenregelung nicht eingehalten wird, wobei die für die Optionsverschonung geltenden Lohnsummen maßgeblich sind, |
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innerhalb der Behaltefrist von sieben Jahren – also den Regeln der Optionsverschonung gem. den Regeln des § 13a Abs. 6 ErbStG – ein Nachsteuertatbestand verwirklicht wird, |
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innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb weiteres verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG durch Erbfall oder Schenkung erworben wird, gleichgültig von welchem Erblasser oder Schenker. Dies führt faktisch zu einer Erbschaft- und Schenkungssperre für den Erwerber für die nachfolgenden zehn Jahre. Dies ist bei der Nachfolgegestaltung zu berücksichtigen. |
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ein den Erwerb oder das im Steuerentstehungszeitpunkt beim Erwerber bereits vorhandene bzw. innerhalb des Zehnjahreszeitraum hinzuerworbene nicht begünstigte Vermögen betreffender Feststellungsbescheid geändert oder erstmals erlassen wird und die dort festgestellten Werte von den Werten abweichen, die dem Erlass zugrunde gelegten wurden, |
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der dem Erlass zugrundeliegende Steuerbescheid geändert und in diesem von den bisher dem Erlass zugrunde gelegten Werten abgewichen wird, |
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der Erlass nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, weil der Erwerber begünstigtes Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers/Schenkers auf einen Dritten übertragen muss oder im Rahmen der Nachlassteilung auf einen Miterben überträgt. |
Dagegen ist die Verwaltungsvermögensquote i.H.v. 20 % nach § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG in § 28a Abs. 4 ErbStG nicht aufgeführt, sodass Vermögensumschichtungen zulässig sind, sofern gegen die allgemeinen Behaltefristen (dazu sogleich) nicht verstoßen wird.
Tritt eine der auflösenden Bedingungen ein, fällt der Erlass nicht automatisch weg (vgl. aber § 124 Abs. 2 letzte Var. AO), sondern der Wegfall des Erlasses soll von einem förmlichen Widerruf abhängig sein.
Die Vorschrift regelt außerdem Anzeigepflichten des Erwerbers (§ 28a Abs. 5 ErbStG) und eine Verlängerung der Zahlungsverjährung (§ 28a Abs. 6 ErbStG).
Die Finanzverwaltung versieht die Erlassbescheide regelmäßig mit dem Hinweis, dass die erlassene Steuer bei Widerruf zum Fälligkeitstag wieder auflebt...