Dr. iur. Matthias Franzke
Rz. 18
Die in Ziffer 2.1 AUB 2014 geregelte Invaliditätsleistung stellt den finanziellen Ausgleich materieller und immaterieller Einbußen infolge unfallbedingter Invalidität (Dauerschäden) dar. Invalidität liegt nach Ziffer 2.1.1.1 AUB 2014 in Anlehnung an die Legaldefinition des § 180 VVG vor, wenn unfallbedingt die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person dauerhaft beeinträchtigt ist. Insoweit wird auf die normale körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Versicherten rekurriert. Es bedarf einer medizinisch validen Feststellung, in welchem Umfang die eingetretenen Gesundheitsschäden die Fähigkeiten und Leistungen der versicherten Person konkret beeinträchtigen. Zu beachten sind auch hier die jeweils vereinbarten AUB. So können diese beispielsweise vorsehen, dass Invaliditätsleistungen nur ab einem – um Vorerkrankungen oder Vorinvalidität bereinigten – Invaliditätsgrad von 20 % geschuldet werden.
Dauerhaft ist eine Beeinträchtigung, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustands nicht zu erwarten ist. Vorstehendes bedeutet, dass spätere Veränderungen nach Ablauf der drei Jahre grundsätzlich unbeachtlich sind. Dies unabhängig davon, ob eine unvorhersehbare gesundheitliche Verbesserung oder eine unvorhersehbare Verschlechterung des Gesundheitszustands der versicherten Person eintritt.
1. Voraussetzungen
Rz. 19
Die Invaliditätsleistung ist auf Basis der Bedingungswerke von unterschiedlichen formellen Voraussetzungen abhängig. Es handelt sich um besondere Fristenregelungen betreffend Eintritt der Invalidität, deren ärztlicher Feststellung sowie der Geltendmachung des Invaliditätsanspruchs, welche durch die Hinweispflicht des Versicherers nach § 186 VVG flankiert werden. Der BGH hat die Wirksamkeit der vertraglich vereinbarten Fristen unter Transparenzgesichtspunkten für wirksam erachtet.
Praxistipp:
Die formellen Anforderungen für die Inanspruchnahme einer Invaliditätsleistung stellen für den Anwalt eine erhebliche Haftungsfalle dar. Dieser muss zwingend bei Annahme des Mandats die einschlägigen Versicherungsbedingungen beiziehen und die Fristen im Kalender mit entsprechenden Vorfristen notieren und kontrollieren. Der Anwalt muss den Mandanten insbesondere auf versicherungsvertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung hinweisen und ihm verdeutlichen, dass innerhalb der Frist auch eine ärztliche Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens erfolgen muss.
Rz. 20
Für die erfolgreiche Durchsetzung des Invaliditätsanspruchs sind drei Fristen zu beachten:
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Eintritt der Invalidität binnen Jahresfrist oder 15 Monaten: |
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Nach den früheren AUB muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein. Hiervon abweichend regelt Ziffer 2.1.1.2. AUB 2014, das Leistungsvoraussetzung der Eintritt der Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall ist. |
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Bei der Eintrittsfrist handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung. Spätestens mit Fristablauf muss daher eine unfallbedingte Beeinträchtigung vorliegen, die den Charakter eines Dauerschadens im o.g. Sinne aufweist. Auf das Ausmaß des Dauerschadens kommt es nicht an. Ebenso wenig darauf, dass die Feststellung der dauerhaften Beeinträchtigung nach Ablauf der Jahresfrist getroffen wurde, sofern – dazu nachfolgend – die Frist zur ärztlichen Feststellung eingehalten wurde. Verbesserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustands nach Ablauf der Eintrittsfrist können im Neubemessungsverfahren nach § 188 VVG (vgl. auch Ziffer 9.4 AUB 2014) berücksichtigt werden |
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Frist zur ärztlichen Feststellung: |
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Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass die Invalidität des Unfallopfers binnen einer Frist von 15 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt wird (Ziffer 2.1.1.2 AUB 2014; Ziffer 2.1.1.1 AUB 2010). |
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Die Versäumung dieser Frist kann nicht entschuldigt werden. An die schriftlich erforderliche Feststellung der Invalidität sind andererseits keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Die ärztliche Erklärung muss sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens muss nicht einmal richtig sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der 15-Monatsfrist zugehen, sofern sie fristgerecht getroffen wurde. Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich aber die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Begründet wird dies damit, dass dem Versicherer Gelegenheit gegeben werden soll, seine Leistungspflicht auf Basis der ärztlichen Feststellung prüfen zu können. Zugleich soll eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglicht werden, die regelmäßig schwer abklärbar und überschaubar sind. |
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Der beratende Rechtsanwalt muss daher seinen Mandanten dringend und rechtzeitig darauf ... |