Rz. 17
Bei einer sonach tatbestandlich festgestellten Verletzung kann gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch wegen eines Nichtvermögensschadens eine "billige Entschädigung in Geld" verlangt werden.
1. Zweck
Rz. 18
Nachdem der Bundesgerichtshof als Zweck des Schmerzensgeldes zunächst die Ausgleichsfunktion betont hatte, die erlittenen Beeinträchtigungen sollten quasi durch ein passendes Quantum an ermöglichter Lebensfreude kompensiert werden, kommt dem Schmerzensgeld nach der noch heute gültigen Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats nicht nur eine Ausgleichs-, sondern auch eine Genugtuungsfunktion, das heißt eine Doppelfunktion zu: Zwar soll dieses in erster Linie dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für die immateriellen Schäden, die "Lebenshemmungen" nicht vermögensrechtlicher Art. Dabei bilden vor allem die Größe, die Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstehungen die wesentliche Grundlage für die Bemessung der billigen Entschädigung. Zugleich soll das Schmerzensgeld aber auch dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Letzteres gilt dabei unabhängig vom Strafanspruch des Staates; und zwar schon wegen der durch die Tat geschaffenen "besonderen persönlichen Beziehung" zwischen Schädiger und Geschädigtem.
Rz. 19
Gegen die Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion kann richtiger Ansicht nach nicht angeführt werden, dass über sie pönale, das heißt bestrafende, Elemente in das Haftungsrecht eingeführt werden, die diesem wesensfremd und für welche Zivilrichter funktionell nicht zuständig seien. Denn dieser Einwand verkennt, dass es für die Genugtuung maßgeblich auf die Perspektive des Geschädigten ankommt (unbedeutend ist daher, dass der Verletze selbst das höhere Schmerzensgeld in der Regel nicht zu spüren bekommt). Für den Geschädigten kann es nach aller Lebenserfahrung indessen einen keineswegs unerheblichen Gesichtspunkt darstellen, ob ihm ein bloßes Unglück zugestoßen oder Unrecht widerfahren ist. Aus diesem Grund kann gegen eine Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion ebenso wenig eingewandt werden, dass diese namentlich bei Gefährdungshaftungstatbeständen ohnehin nicht zum Tragen komme. Zwar ist an Letzterem zutreffend, dass bei der Gefährdungshaftung die Genugtuungsfunktion regelmäßig hinter der Ausgleichsfunktion zurücktritt.
Rz. 20
Das haben freilich sowohl der Große Senat des Bundesgerichtshofs in der genannten Grundsatzentscheidung wie auch der Reformgesetzgeber des Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes keineswegs verkannt. Vielmehr wurde jeweils zu Recht festgehalten, dass dies eine ergänzende Berücksichtigung in diesen wie auch anderen Fällen nicht ausschließt. Schließlich spielt es erfahrungsgemäß auch in praxi insoweit für einen Unfallgeschädigten bei der Bewältigung von Unfallfolgen eine nicht zu vernachlässigende Rolle, ob beispielsweise der Verkehrsunfall quasi "schicksalsgleich" passierte (man denke insbesondere etwa an Fälle der Schädigung nicht motorisierter, vor allem gar minderjähriger Verkehrsteilnehmer wie etwa Fußgänger oder Fahrradfahrer, bei denen selbst "Idealfahrer" haften, weil § 17 Abs. 3 StVG nicht gilt) oder ob der Unfall Ergebnis – grob-fahrlässig oder gar vorsätzlich – schuldhaften Verhaltens des Schädigers (Stichwort: "Verkehrs-Rowdy") war. Dem sollte auch bei der Bemessung einer "billigen Entschädigung in Geld" angemessen Rechnung getragen werden.
Rz. 21
Insbesondere ist aus Sicht des Geschädigten dabei vernachlässigbar, dass die Entschädigungszahlung in praxi letztlich quasi ausnahmslos von der Haftpflichtversicherung des Schädigers und nicht von diesem selbst erfolgen wird. Nicht zu überzeugen vermag letztlich auch das Argument, eine Beweiserhebung über die Frage etwaigen Verschuldens widerspreche dem mit der Reform unter anderem verfolgten Ziel einer Vereinfachung der Schadensregulierung. Denn insbesondere im Rahmen komplexer Unfallgeschehen stellt sich die Frage etwaigen Verschuldens in praxi als lediglich eine von vielen, dabei zwar zentrale, zugleich aber auch zumeist sowohl einfacher als auch zeitnäher zu beantwortende dar als die Feststellung der unfallbedingten Schadensfolgen; sodass die Erforderlichkeit entsprechender Beweiserhebung dazu eine generelle Vernachlässigung etwaigen – auch gravierenden – Verschuldens nicht zu rechtfertigen vermag.