Rz. 4
Der Vollmachtgeber, der seinem Bevollmächtigten willentlich eine Vollmachtsurkunde aushändigt, trägt das Risiko, dass die ausgehändigte Vollmachtsurkunde missbraucht wird. Insoweit regelt § 172 BGB die Begründung eines Rechtsscheins:
Zugunsten desjenigen, dem die Vollmachtsurkunde vorgelegt wurde, wird vermutet, dass der Inhaber der Vollmachtsurkunde auch tatsächlich bevollmächtigt ist. Dies gilt aber nur, wenn der Geschäftsgegner bezüglich des Bestehens der Vollmacht gutgläubig ist und die Vollmachtsurkunde dem gutgläubigen Geschäftsgegner vor oder bei Abschluss des Vertretergeschäfts vorgelegt wird. In der Beratungspraxis kann man ggf. empfehlen, dass der Vollmachtgeber die Vollmachtsurkunde (das Original bei privatschriftlicher Vollmacht, die Ausfertigung bei einer notariell beurkundeten Vollmacht) zunächst zurückhält und nicht vor Eintritt des Vorsorgefalls an den Bevollmächtigten aushändigt.
Rz. 5
Da bei Vorlage einer Vollmacht eine Rechtsscheinhaftung begründet wird, wird man weniger von einer rechtlichen Pflicht, denn von einem faktischen Zwang zur Vorlage der Vollmacht sprechen müssen, da das Vertrauen des Geschäftsgegners in die Vertretungsmacht nur dann geschützt wird, wenn er sich die Vollmachtsurkunde vorlegen lässt oder die Bevollmächtigung nach § 171 BGB kundgegeben wurde. Der Geschäftsgegner wird also allein deshalb auf die Vorlage einer Vollmacht bestehen, um sich auf den darauf beruhenden Rechtsschein berufen zu können. Gleichzeitig wird der Bevollmächtigte regelmäßig eine Vollmachtsurkunde vorlegen wollen, um die Stellvertretung offenkundig zu machen und dies auch zu dokumentieren.