Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 80
Leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft, kann durch den lebzeitigen Ausgleich des Zugewinns Vermögen von dem Ehegatten, der den höheren Zugewinn erzielt hat, auf den anderen Ehegatten schenkungsteuerfrei gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG übertragen werden.
Rz. 81
Nach § 5 Abs. 2 ErbStG gehört die Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB nicht zum schenkungsteuerlichen Erwerb i.S.d. §§ 3 und 7 ErbStG, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Der lebzeitige Zugewinnausgleich gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG hat gegenüber der Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichsanspruchs im Todesfall gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG im Wesentlichen zwei Vorteile:
Rz. 82
Erstens kommt es nur bei Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG zu einer Anwendung des nachteiligen § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG, nach dem die Höhe der Steuerbefreiung des fiktiven Ausgleichsanspruchs auf das Niveau des Steuerwertes begrenzt ist. Diese Kürzung soll verhindern, dass im Fall eines auch nach Änderungen des Bewertungsgesetzes noch möglichen Auseinanderfallens von Steuer- und Verkehrswerten einzelner Vermögenspositionen, die steuerfreie Ausgleichsforderung höher ist als der Steuerwert des Zugewinnausgleichs und damit der Ehepartner weitere Nachlassteile steuerfrei erwerben könnte. Eine entsprechende Kürzung ist in § 5 Abs. 2 ErbStG nicht vorgesehen, sodass der volle Verkehrswert der Zugewinnausgleichsforderung schenkungsteuerfrei ist. Somit können bei einem rechtzeitigen lebzeitigen Zugewinnausgleich, verbunden mit einer Stundung der Zugewinnausgleichsforderung auf den Todesfall, gewisse Steuerersparnisse erreicht werden.
Rz. 83
Zweitens, bleiben bei Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG von den Vorschriften der §§ 1373 ff. BGB abweichende güterrechtliche Vereinbarungen unberücksichtigt (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Individualvertragliche Veränderungen des Zugewinnausgleichsanspruchs, wie z.B. eine rückwirkende Vereinbarung des Güterstands der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft auf den Zeitpunkt der Eheschließung, können daher nur im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG berücksichtigt werden. Somit kann hier eine präziser gesteuerte Vermögensübertragung erfolgen. Sofern der Zugewinnausgleichsanspruch individualvertraglich beschränkt wurde (z.B. durch Herausnahme von unternehmerischem Vermögen oder der Einfügung eines Höchstbetrags), können diese Veränderungen allerdings auch zu einer im Vergleich zu § 5 Abs. 1 ErbStG niedrigeren steuerfreien Zugewinnausgleichsforderung führen. Zu beachten ist, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung Individualvereinbarungen, die lediglich einem Ehegatten eine erhöhte Ausgleichsforderung verschaffen sollen, nicht anerkannt werden, wenn mit den Vereinbarungen in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen.
Rz. 84
Mit Urteil vom 12.7.2005 hat der BFH bestätigt, dass ein lebzeitiger Ausgleich des Zugewinns auch dann gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei bleibt, wenn die Ehegatten de facto überhaupt keinen Wechsel des Güterstandes wünschen und daher unmittelbar nach einem Wechsel in die Gütertrennung wieder zurück in die Zugewinngemeinschaft wechseln (sog. Güterstandsschaukel). Seither ist anerkannt, dass ein mehrfacher Wechsel des Güterstandes, auch ohne "Schamfrist", steuerrechtlich ebenso zu dem Privileg des § 5 Abs. 2 ErbStG führt, wie eine endgültige Beendigung des Güterstands.
Rz. 85
Haben Ehegatten sich gegenseitig während des Bestehens der Ehe unentgeltliche Zuwendungen gemacht (z.B. sog. unbenannte Zuwendungen), ohne sich bewusst zu sein, dass hierin ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang zu sehen ist, kann auch hier die lebzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft als Gestaltungsmittel in Betracht kommen. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen auf die Ausgleichsforderung angerechnet worden sind. Der Abschluss eines notariellen Ehevertrages, der die Beendigung des Güterstandes "Zugewinngemeinschaft" regelt, bewirkt damit rückwirkend, dass die Steuerpflicht von ehemals steuerpflichtigen unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten durch Anrechnung auf die Ausgleichsforderungen gemäß § 1380 Abs. 1 BGB entfällt. Die unbenannten Zuwendungen können als Folge des Abschlusses des notariellen Ehevertrages angerechnet werden und führen gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur vollen Steuerfreiheit dieser Zuwendungen. Insofern ist es möglich, rückwirkend Steuer- und ggf. Straffreiheit zu erlangen. Der Ehegatte, der die unentgeltlichen Zuwendungen erhalten hat, muss gemäß § 29 Abs. 2 ErbStG lediglich für den Zeitraum, in dem ihm die Nutzung des zugewandten Vermögens zugestanden haben, diese wie ein Nießbraucher versteuern.