Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
1. Übertragung von bestehenden Kapitallebensversicherungen
Rz. 72
Eine weitere Möglichkeit, Vermögen steuergünstig bereits lebzeitig auf Ehegatten oder auf die nächste Generation zu übertragen, besteht im Zusammenhang mit bereits existierenden Lebensversicherungen.
Rz. 73
Vor der Befassung mit den erbschaftsteuerlichen Vorteilen ist sich jedoch die zivilrechtliche Ausgangslage bei einem Lebensversicherungsvertrag zu vergegenwärtigen. Vertragspartner des Versicherungsvertrags sind die Versicherungsgesellschaft und der Versicherungsnehmer. Letzterer ist zur Zahlung der Prämien verpflichtet. Gegenstand des Vertrags ist die Leistung einer bestimmten Versicherungssumme, wenn eine versicherte Person einen bestimmten Stichtag erlebt oder vor einem bestimmten Stichtag verstirbt (vgl. § 150 VVG). Die versicherte Person kann – muss aber nicht – mit dem Versicherungsnehmer identisch sein. Darüber hinaus kann in dem Versicherungsvertrag ein Bezugsberechtigter benannt werden, wenn die Auszahlung der Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an einen Dritten (häufig Ehegatten) gezahlt werden soll. Zivilrechtlich handelt es sich bei der Benennung eines Bezugsberechtigten um einen echten Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB. Der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme fällt beim Tod des Versicherten nicht in dessen Nachlass, sondern entsteht, quasi "am Nachlass vorbei", gemäß § 150 VVG unmittelbar bei dem Bezugsberechtigten. Vor diesem Hintergrund bietet die Lebensversicherung eine Gelegenheit, durch lebzeitige Vorsorge außerhalb des Testaments bestimmten Personen Geldvermögen zuzuwenden. Die Benennung des Bezugsberechtigten kann bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit durch schriftliche Mitteilung gegenüber der Versicherung geändert werden, es sei denn, der Bezugsberechtigte ist unwiderruflich benannt worden.
2. Schenkung der gesamten Lebensversicherung
Rz. 74
Wird eine bestehende Versicherung mit allen Rechten und Pflichten auf den Ehegatten oder Abkömmlinge schenkweise übertragen, d.h. wird die Stellung als Versicherungsnehmer übertragen, findet die Bewertung der Kapitallebensversicherung nach § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 Abs. 4 BewG Anwendung. Danach ist Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer der Rückkaufswert. Bei dem Rückkaufswert handelt es sich um den Betrag, den das Versicherungsunternehmen im Falle einer vorzeitigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zu erstatten hätte. Da dieser Rückkaufswert vielfach niedriger sein wird als der Marktwert der Versicherung im Zeitpunkt der Auszahlung aufgrund Eintritt des Versicherungsfalls, besteht eine gewisse Privilegierung der Übertragung solcher noch nicht fälliger Versicherungsansprüche.
Rz. 75
Wichtig bei der Gestaltung der lebzeitigen Übertragung einer Lebensversicherung ist, dass der Übernehmer der Lebensversicherung (neuer Versicherungsnehmer) mit der bezugsberechtigten Person identisch ist. Denn dann fällt im Erbfall bei Auszahlung der Versicherungssumme keine zusätzliche Erbschaftsteuer an. Der (neue) Versicherungsnehmer erhält die Versicherungssumme aufgrund seines eigenen Versicherungsvertrags aus eigenem Recht. Ein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb vom Erblasser gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 ErbStG liegt somit nicht vor.
Beispiel
Ehemann M möchte für den Fall seins Versterbens seine Ehefrau F absichern. M schließt im Jahr 2010 als Versicherungsnehmer mit der Versicherungsgesellschaft A einen Versicherungsvertrag über eine Kapitallebensversicherung auf sein Ableben. F ist bezugsberechtigt. Im Jahr 2022 überträgt M die Stellung als Versicherungsnehmer auf seine Ehefrau F. Sie bleibt weiterhin bezugsberechtigt. Ein Jahr später verstirbt M.
Lösung
F hat im Jahr 2022 den gesamten Lebensversicherungsvertrag erworben. Sie hat diesen Erwerb als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern. Bemessungsgrundlage für den Wert des Erworbenen ist der Rückkaufswert. Der Todesfall von M im Jahr 2023 ist erbschaftsteuerlich irrelevant. F braucht die an sie ausgezahlte Versicherungssumme nicht der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.
3. Schenkung der Bezugsberechtigung als steuerlich ungünstigere Variante
Rz. 76
Um in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Vorteile zu kommen, ist es wichtig, dass nicht bloß die Bezugsberechtigung, sondern der gesamte Lebensversicherungsvertrag geschenkt wird. Setzt der Versicherungsnehmer eine Person lediglich als Bezugsberechtigten seiner Kapitallebensversicherung ein, ist diese Einsetzung zunächst schenkungsteuerlich unbeachtlich. Es handelt sich im Falle der unwiderruflichen Einsetzung als Bezugsberechtigter um den Erwerb eines lediglich aufschiebend bedingten Anspruchs nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 4 BewG, der keine Schenkungsteuer auslöst. Ist die Einsetzung als Bezugsberechtigter widerruflich, erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Auszahlung der Versicherungsprämie mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Zum anderen stellt § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausdrücklich klar, dass der Erwerb des Ver...