A. Allgemeines
Rz. 1
§ 164 Abs. 5 SGB IX hat mit Wirkung zum 1.1.2018 die insoweit wortgleiche Vorschrift des § 81 Abs. 5 SGB IX abgelöst, der seinerseits mit Wirkung zum 1.7.2001 den wortgleichen § 14 Abs. 4 SchwbG abgelöst hatte. Die tatbestandlich sehr kurz gehaltene Norm vermittelt dem geschützten Personenkreis einen echten Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit, der keiner weiteren Mitwirkungs- oder Umsetzungshandlung bedarf. Insbesondere bewirkt bereits das Verlangen des schwerbehinderten Menschen nach § 164 Abs. 5 S. 3 SGB IX unmittelbar eine Verringerung der geschuldeten Arbeitszeit, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers zur Änderung der vertraglichen Pflichten bedarf.
Rz. 2
Indem Schwerbehinderte gem. § 158 Abs. 2 SGB IX (bis 31.12.2017: § 75 Abs. 2 SGB IX) bereits dann auf die Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet werden, wenn ihre Arbeitszeit nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich beträgt, schafft das SGB IX für Arbeitgeber einen gewissen Anreiz für die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen. Sogar wenn ein schwerbehinderter Mensch weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt wird, kann seine Anrechnung auf einen der Pflichtarbeitsplätze zugelassen werden, wenn nämlich die Teilzeitbeschäftigung wegen der Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, § 158 Abs. 2 S. 3 SGB IX. Dies dürfte auf Teilzeitarbeitsplätze in aller Regel zutreffen, die im Wege des Anspruchsverfahrens nach § 164 Abs. 5 SGB IX oder zur Vermeidung eines solchen Anspruchsverfahrens geschaffen worden sind. Zuständig für die Zulassung zur Zählung ist in diesem Fall die Bundesagentur für Arbeit.
Rz. 3
Der Anspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX tritt neben § 8 Abs. 1 TzBfG (und neben andere mögliche Teilzeitansprüche). Beide Normen haben einen sehr eigenständigen Anwendungsbereich. Zwar bleibt der Kreis der Anspruchsberechtigten bei § 164 Abs. 5 SGB IX relativ klein und müssen sehr hohe, spezifische materielle Hürden genommen werden (dazu sogleich). Wenn der Anspruch aber gegeben ist, reicht er weiter als das allgemeinere Recht aus dem TzBfG und sind insbesondere die im allgemeinen Teilzeitrecht des § 8 TzBfG bestehenden komplexen formalen Anforderungen obsolet. Auf welche Rechtsgrundlage der schwerbehinderte Mensch seinen Anspruch stützt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Er kann sich sowohl gleichzeitig als auch nacheinander auf die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen stützen.
B. Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 4
Der Anspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX ist – anders als insb. der Anspruch nach § 8 TzBfG, aber auch anders als etwa der Teilzeitanspruch während der Elternzeit nach § 15 Abs. 5 BEEG – weder an eine Form noch an eine Frist noch an eine Wartezeit oder eine Mindestbeschäftigtenzahl gebunden. Liegen die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vor, so kann der Anspruchsberechtigte den Anspruch vielmehr ohne Weiteres formlos und mit sofortiger Wirkung geltend machen.
I. Begünstigter Personenkreis
Rz. 5
Der Anspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX steht schwerbehinderten Arbeitnehmern zu. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX ist ein Mensch schwerbehindert, wenn bei ihm ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und er seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat. Dieser Geltungsbereich ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Rz. 6
Gem. § 151 Abs. 1 SGB IX (bis 31.12.2017: § 68 Abs. 1 SGB IX) gelten die Vorschriften des Dritten (früher: Zweiten) Teils SGB IX – und damit § 164 SGB IX – auch für die den Schwerbehinderten gleichgestellten behinderten Menschen. Die Gleichstellung setzt gem. § 2 Abs. 3 SGB IX neben den sonstigen Voraussetzungen der Schwerbehinderung i.S.v. § 2 Abs. 2 SGB IX einen Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 voraus. Zudem ist erforderlich, dass der gleichgestellte Mensch infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten kann. Die Gleichstellung erfolgt gem. § 151 Abs. 2 S. 1 SGB IX durch Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit.
Rz. 7
Gerade auch im Hinblick auf den Teilzeitanspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX und eine ...