Rz. 88
Nach § 51 Abs. 4 BRAO beträgt die Mindestversicherungssumme 250.000,00 EUR. Sie muss für jeden einzelnen Versicherungsfall zur Verfügung stehen. § 51 Abs. 4 Satz 2 BRAO gestattet aber, die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme zu begrenzen. Je nach individueller Mandatsstruktur wird es zweckmäßig sein, eine höhere als die Mindestversicherungssumme zu vereinbaren. Da die Versicherungssumme den Risiken entsprechen soll, die sich im Laufe der Zeit ändern können, ist die Überprüfung einer ausreichenden Deckung von Zeit zu Zeit – nicht nur wegen der berufsrechtlich nach §§ 113, 43 BRAO drohenden Ahndung, wenn das Risiko für Schäden regelmäßig höher liegt als die Versicherungssumme – dringend anzuraten. Dabei ist nicht nur die Höhe etwaiger begründeter Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen; ein wichtiger Aspekt des Versicherungsschutzes betrifft auch den Abwehrschutz, also die Übernahme der Kosten eines Haftpflichtprozesses durch den Versicherer. Da die Kostenübernahme durch den Gegenstandswert der Versicherungssumme begrenzt ist (vgl. Rdn 53), sollte die Versicherungssumme so gewählt werden, dass auch für die Abwehr unbegründeter Ansprüche möglichst voller Deckungsschutz erreicht wird.
Übernimmt der Rechtsanwalt ein Mandat, bei dem die Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung als untunlich oder in ihrer Wirksamkeit fraglich erscheint, das aber dennoch die Gefahr eines besonders hohen Schadens mit sich bringen kann, empfiehlt es sich, für dieses Mandat gesondert eine höhere Versicherungssumme zu vereinbaren (Einzelobjektsversicherung), etwa bei der Erstellung eines Gutachtens oder dem Entwurf eines umfangreichen Gesellschaftsvertrages. Eine solche Absicherung einzelner Mandate kann als Anschlussdeckung an eine bereits bestehende Versicherung oder auch unabhängig von einer solchen als zusätzliche Versicherung konzipiert werden. Besteht Versicherungsschutz als Zusatzversicherung "von null weg", hat das für den Mandanten wie auch den Anwalt den Vorteil, dass die Versicherungssumme ungeschmälert zur Verfügung steht, auch wenn für den maßgeblichen Verstoßzeitpunkt die Pflichtversicherungssumme schon (teilweise) ausgeschöpft sein sollte. Deshalb übernehmen gelegentlich auch die Mandanten die Prämie für eine solche Einzelobjektsversicherung. Geht der Gegenstandswert des Mandats über 30 Mio. EUR hinaus, ist die Übernahme der Prämie einer Objektspolice für die Deckung oberhalb des genannten Betrages durch den Mandanten sogar als Teil der gesetzlichen Vergütung im RVG verankert (Nr. 7007 VV). Zur Auswirkung der Versicherungssumme bei mehreren Sozien siehe Rdn 7 ff.
Rz. 89
Die Versicherungssumme begrenzt die Leistungspflicht des Versicherers. Eine Ausnahme bilden die in § 3 II Nr. 5 AVB (vgl. Rdn 52) gesondert geregelten Kosten eines gegen den Versicherungsnehmer anhängig gewordenen Haftpflichtprozesses. Mit § 3 II Nr. 2 AVB ist indessen die gesetzliche Regelung des § 101 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht abbedungen. Danach hat der Versicherer auch die die Versicherungssumme übersteigenden Zinsen zu tragen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem zu entrichten hat. Veranlasst sind die Zinsen, wenn der Versicherer nicht rechtzeitig seiner Freistellungsverpflichtung nachkommt und mit dem Unterliegen des Versicherungsnehmers im Haftpflichtprozess rechnen muss. Hat sich der Versicherer über den Umfang des Prozessrisikos geirrt, braucht dies nicht den Verzug zu hindern. Ein Verschulden des Versicherers setzt § 101 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht voraus.
Die Zahlung des Haftpflichtversicherers stellt grds. ein zum Neubeginn der Verjährung gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB führendes Anerkenntnis zulasten des Versicherungsnehmers auch für den Teil der Ansprüche dar, für den der Versicherer nicht einzustehen hat, weil er die Deckungssumme übersteigt. Anders liegt es, wenn der Versicherer objektiv erkennbar zum Ausdruck bringt, dass er über die Deckungssumme hinausgehende Ansprüche nicht anerkennen wolle.
Rz. 90
Auch bei mehreren Versicherten stellt die Versicherungssumme ihnen ggü. insgesamt die Höchstsumme dar, § 3 II Nr. 2.1 Buchst. a) AVB. Bei mehreren durch unterschiedliche Verstöße Geschädigten, d.h. bei mehreren Schadenfällen, steht jedem die volle Versicherungssumme zur Verfügung, soweit nicht die gem. § 51 Abs. 4 Satz 2 BRAO gesetzte Begrenzung auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme für das Versicherungsjahr überschritten wird. In letzterem Falle käme das quotale Verteilungsverfahren gem. § 109 VVG zur Anwendung, der für den Bereich der Pflichtversicherungen noch durch § 118 VVG ergänzt wird.
Rz. 91
§ 3 II Nr. 2.1 Buchst. b) AVB stellt klar, dass bei einem einheitlichen Schaden auch die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung steht, selbst wenn der Schaden das Ergebnis mehrerer Verstöße i...