Rz. 86
Ohne dass der Wortlaut der Regelung dies zwingend vorgäbe, jedoch im Hinblick darauf, dass sich der Geschädigte andernfalls ohne jede Entlastungsmöglichkeit – entgegen der gesetzgeberischen Wertung in § 831 BGB – sehr weitgehend schadensmitursächliches Verhalten Dritter anrechnen lassen müsste, ist zu Recht nach ständiger Rechtsprechung zugrunde zu legen, dass die in Abs. 2 S. 2 enthaltene Bezugnahme auf § 278 BGB eine Rechtsgrundverweisung darstellt.
a) Maßgeblicher Zeitpunkt
Rz. 87
In Konsequenz dessen setzt eine Zurechnung des Mitverschuldens Dritter voraus, dass bereits zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bzw. eines nach § 254 Abs. 2 BGB relevanten Verhaltens zwischen dem Verletzten und dem Schädiger eine vertragliche Beziehung, ein sonstiges (gesetzliches) Schuldverhältnis oder ein einem Schuldverhältnis ähnliche Sonderrechtsbeziehung bestand. Fehlt es an einer Sonderrechtsbeziehung, muss ein geschädigter "Geschäftsherr" allenfalls nach § 831 BGB für das Mitverschulden seiner Verrichtungsgehilfen einstehen – allerdings mit Entlastungsmöglichkeit; auch dies gilt sowohl hinsichtlich der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) als auch für die Abwendung oder Minderung des Schadens (§ 254 Abs. 2 BGB).
b) (Mit-)Haftung für Dritte
Rz. 88
Außerdem kommt ein Einstehenmüssen des Geschädigten nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB nicht für jedes schadensmitursächliche Verhalten irgendeines Dritten in Betracht, sondern nur für das seines gesetzlichen Vertreters bzw. eines Erfüllungsgehilfen, d.h. einer Person, die der Geschädigte mit der Wahrnehmung seiner im Rahmen der Sonderverbindung bestehenden Pflichten und Gebote seines eigenen Interesses betraut hat.
Rz. 89
Juristische Personen und Personengesamtheiten müssen sich das Verschulden ihrer Organe (schon) nach § 31 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit zurechnen lassen. Da das Verhalten eines Organs jedoch rechtlich als unmittelbares der juristischen Person selbst zu werten ist, wohingegen es bei einem Erfüllungsgehilfen um die Zurechnung fremden Verschuldens geht, ist insoweit zu beachten, dass ein Vorsatz eines Organs des Geschädigten gegenüber bloßer Fahrlässigkeit des Schädigers in der Regel zu einem Ausschluss der Schadensersatzpflicht führen soll, während der Vorsatz eines Erfüllungsgehilfen den Schadensersatzanspruch lediglich mindere.
Rz. 90
Erfüllungsgehilfe im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine Person, die die Pflichten erfüllt, die normalerweise vom Geschädigten selbst zu erfüllen sind. Dazu rechnen mangels entsprechender Pflicht des Geschädigten gegenüber dem Schädiger nicht die Aufgaben, für die sich jedermann eines Sachverständigen bedienen muss bzw. Personen, die der Geschädigte zur Behebung eines konkreten Schadens heranzieht, beispielsweise der behandelnde Arzt oder andere Sachverständige bzw. Fachleute, etwa die Reparaturwerkstatt oder bei anderen technischen Vorgängen. Insoweit kommt allenfalls ein eigenes Verschulden des Geschädigten bei der Auswahl der fachkundigen Personen in Betracht.
Rz. 91
Anderes soll hingegen gelten, soweit der Geschädigte – etwa einen Anwalt – gerade mit der Koordinierung bzw. Abwicklung des Schadens beauftragt hat; insoweit soll sich jener dessen Mitverschulden über § 254 Abs. 2 S. 2 BGB anrechnen lassen müssen. Eine nachvollziehbare Rechtfertigung dieser Differenzierung im Hinblick auf § 254 BGB ist indessen nicht ersichtlich.