Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 9
§ 49c BRAO regelt die Nutzungspflicht des Schutzschriftenregisters für Anwälte seit dem 1.1.2017, wobei dies "lediglich" eine berufsrechtliche Vorschrift darstellt. Zum Teil wurde daher angenommen, dass ein Verstoß gegen diese berufsrechtliche Pflicht folgenlos blieb; Voraussetzung war jedoch, dass ein Gericht eine durch einen Anwalt eingereichte Schutzschrift in Papierform diese überhaupt zur Kenntnis genommen hat, wozu es unseres Erachtens keine Pflicht gab. So konnte sich also auch seit dem 1.1.2017 bei nicht elektronischer Einreichung auch ein Haftungsfall ergeben. Spätestens seit dem 1.1.2022 ist durch § 130d ZPO aber auch klargestellt, dass eine Einreichung in Papierform auch verfahrensrechtlich nicht mehr zulässig ist (Ausnahme: vorübergehende technische Störung).
Rz. 10
Praxistipp
Eine Einreichung von Schutzschriften in Papierform ist z.B. dann möglich, wenn der Mandant die Schutzschrift selbst einreicht. Ist die Einreichung elektronisch – aus welchen Gründen auch immer – gescheitert oder nicht möglich, kann darüber nachgedacht werden, die Schutzschrift vom Mandanten unterschrieben auch selbst einreichen zu lassen. Da es für einstweilige Verfügungsverfahren keinen Anwaltszwang gibt, vgl. dazu § 920 Abs. 3 ZPO (Arrest), § 936 ZPO i.V.m. § 920 ZPO (einstweilige Verfügung) – beide i.V.m. § 78 Abs. 3 ZPO – muss dies erst recht für die eine einstweilige Verfügung zu verhindern suchende Schutzschrift gelten; und zwar selbst dann, wenn diese wegen des Werts bei Landgerichten eingereicht werden müsste. Natürlich ist diese Vorgehensweise allenfalls "Nothilfe"; schon aus Gründen des Wettbewerbs kann man Anwälten nicht empfehlen, dies zur neuen Regel werden zu lassen! Zu beachten wäre dabei aber auch, dass in Papierform eingereichte Schutzschriften durch das Gericht nicht beim ZSSR hinterlegt werden; es bleibt in diesem Fall also die Notwendigkeit, ggf. bei mehreren Gerichten einzureichen und "hinterher zu telefonieren", damit die Schutzschrift von der Registratur/Posteingangsstelle auch tatsächlich in die Geschäftsstelle bzw. auf den Richtertisch gelangt. Denn solche in Papierform eingereichten Schutzschriften genießen nicht die Vorteile nach § 945a Abs. 2 S. 1 ZPO bzw. §§ 62 Abs. 2 S. 3, 85 Abs. 2 S. 3 ArbGG. Schutzschriften in Papierform können, entgegen der Einreichung beim ZSSR, allerdings bisher gerichtskostenfrei eingereicht werden.
Rz. 11
Die Verortung der Einreichungspflicht in § 49c BRAO ist vielfach kritisiert worden; genutzt hat es bis jetzt leider nichts. Wie teilweise in der Literatur richtig angemerkt wird, kann die Einreichung einer Schutzschrift durch den Anwalt mit der Folge, dass Zustellungen im Prozess gem. § 172 ZPO zwingend an diesen zu erfolgen haben, durchaus auch für den Mandanten kontraproduktiv sein.
Rz. 12
Einen Zeitpunkt für den Abruf aus dem Register für Gerichte sehen weder die ZPO noch die SRV vor. Es ist davon auszugehen, dass ein Abruf durch das Gericht in dem Moment erfolgt, in dem einem Richter der Antrag auf Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung vorliegt und er hierüber entscheiden soll/möchte. Da eV-Anträge und Schutzschriften häufig einem sehr engen Zeitfenster unterliegen, sollten Schutzschriften so schnell wie möglich hochgeladen werden, um sicherzustellen, dass das Gericht diese auch beim ersten Abruf als Suchergebnis angezeigt erhält. Eine Pflicht des Gerichts zum mehrfachen Abruf, z.B. nach Lesen des eV-Antrags und vor Entscheidung, ist ebenfalls nicht vorgesehen.
Rz. 13
Gem. § 945a Abs. 3 S. 1 ZPO erhalten die Gerichte über ein automatisiertes Abrufverfahren einen Zugriff auf das Register. Die Verwendung der Daten ist auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken, wobei Abrufvorgänge zu protokollieren sind, vgl. dazu § 945a Abs. 3 S. 2 ZPO sowie Rdn 40. Ob sich aus der Abrufbefugnis auch eine Pflicht der Gerichte zum Abruf ergibt, wird von Hartmann zumindest in Bezug auf den Wortlaut von § 945a Abs. 3 ZPO sowie § 4 Abs. 2 SRV bezweifelt. Wehlau/Kalbfus verweisen insoweit darauf, dass eine Pflicht zur Beachtung eingereichter Schutzschriften sich schon aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG ergibt. Der Gesetzgeber selbst sieht die Gerichte hier durchaus in der Pflicht, indem er in seiner Gesetzesbegründung wie folgt ausführt:
Zitat
"Gerichte sind daher verpflichtet, die Ausführungen in der Schutzschrift zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen."
Auch führt er an, dass bei dem früher existierenden Schutzschriftenregister, das von der Europäischen EDV-Akademie des Rechts gGmbH (EEAR), einer gemeinnützigen Gesellschaft des Deutschen EDV-Gerichtstags und des Saarlandes, betrieben wurde, wegen der Privatwirtschaftlichkeit keine Abrufpflicht anzunehmen war, was...