1. Maßgeblicher Zeitpunkt
Rz. 1
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen schenkung- bzw. erbschaftsteuerpflichtig, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes bzw. der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber (Erbe bzw. Beschenkte) zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Für eine unbeschränkte Steuerpflicht reicht es also aus, wenn der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls Steuerinländer war, was gerade ausländischen Erben in der Praxis oftmals nicht bekannt ist. Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt, d.h. die Entstehung der Steuer, ergibt sich aus § 9 ErbStG (siehe § 9 Rdn 1>), also bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich der Tod des Erblassers und bei Schenkungen der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.
2. Steuerinländer
Rz. 2
Als Inländer gelten in erster Linie natürliche Personen (unabhängig von der Staatsangehörigkeit), die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Einen Wohnsitz i.S.d. Steuerrechts hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird, § 8 AO. Es muss sich um abgeschlossene Räume handeln, wobei eine einfachste Möblierung (Bett, Tisch, Schrank, Stuhl) ausreicht. Die Anforderungen der Finanzverwaltung für die Bejahung eines inländischen Wohnsitzes sind nicht hoch. Ein Zweit- oder Nebenwohnsitz reicht grundsätzlich aus. Auf Umfang der tatsächlichen Nutzung kommt es nicht an, unregelmäßige Aufenthalte reichen aus. Das gilt nach dem BFH z.B. für eine im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Doppelhaushälfte, die regelmäßig mehrere Wochen im Jahr zur Jagd genutzt wird.
Rz. 3
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gem. § 9 S. 1 AO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben, § 9 S. 2 AO. Wird der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen und dauert er nicht länger als ein Jahr, ist kein gewöhnlicher Aufenthalt anzunehmen, § 9 S. 3 AO.
Rz. 4
Eine natürliche Person kann ihren gewöhnlichen Aufenthalt – anders als einen Wohnsitz – nur jeweils im Inland oder im Ausland haben und dieser ist für die Besteuerung nur maßgeblich, wenn die Person im Inland nicht schon einen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO innehat.
3. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht
Rz. 5
Deutsche Staatsangehörige, die keinen inländischen Wohnsitz haben und sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, unterfallen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG der unbeschränkten Steuerpflicht ("Wegzugsbesteuerung"), sofern nicht in einem Doppelbesteuerungsabkommen (siehe Rdn 13 ff.>) anderes geregelt ist. Die Finanzverwaltung stellt an eine dauerhafte Aufgabe des Wohnsitzes strenge Anforderungen. So kann bereits eine inländische Kontoverbindung oder Krankenversicherung schädlich sein.
4. Weltvermögen
Rz. 6
Liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht eines Erwerbs vor, umfasst diese stets den gesamten weltweiten Erwerb. Ist etwa eine im Ausland belegene Immobilie (z.B. Ferienwohnung) Gegenstand einer Schenkung, ist der Vorgang – sofern der Schenker oder der Beschenkte Steuerinländer ist – unbeschränkt steuerpflichtig. Im Erbfall unterliegt bei unbeschränkter Steuerpflicht (Erblasser und/oder Erbe sind Steuerinländer) das gesamte Weltvermögen der deutschen Erbschaftsteuer.
Hinweis
Die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der einzelnen Länder für eine Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung (Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Belegenheit des Vermögens etc.) können regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung durch mindestens zwei Staaten führen, was durch Doppelbesteuerungsabkommen bzw. nationale Regelungen (siehe Rdn 13 ff.>) vermieden werden soll.