I. Residenzmodell – Wechselmodell – erweitertes Umgangsmodell

1. Formen der Kinderbetreuung

 

Rz. 45

Trennen sich Eheleute, die gemeinsame Kinder haben, so stellt sich immer die Frage, welcher Elternteil in Zukunft die Kinder betreut. In den meisten Fällen übernimmt ein Elternteil den Schwerpunkt der Betreuung – bei ihm wohnt das Kind –, während der andere Elternteil sich auf Umgangskontakte an Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien beschränkt (sog. Eingliederungs- oder Residenzmodell). Dieser Elternteil ist von der Barunterhaltspflicht befreit.

 

Rz. 46

Das Gegenstück ist das sog. echte Wechselmodell, bei dem beide Elternteile in gleichem Umfang die Betreuung der Kinder übernehmen, die sich dann abwechselnd für einen bestimmten Zeitraum beim Vater und für einen gleichen Zeitraum bei der Mutter aufhalten (zur genauen Abgrenzung im konkreten Fall siehe Rdn 62).

 

Rz. 47

Zwischen diesen beiden Extremkonstellationen gibt es noch unterschiedliche Mischformen, in denen das Kind zwar bei einem Elternteil lebt, aber auch der andere Elternteil im größeren Umfang Betreuungsleistungen erbringt (sog. erweitertes Umgangsmodell).

2. Anordnung des Wechselmodells durch gerichtliche Umgangsregelung

 

Rz. 48

Der BGH hat klargestellt dass durch eine gerichtliche Umgangsregelung ein Wechselmodell auch gegen den Willen des anderen Elternteils angeordnet werden kann.[61] (Siehe auch § 23 Rdn 36)

 

Rz. 49

 

Praxistipp:

Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche gerichtliche Regelung für sich genommen noch nicht.
Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.[62]
Strebt ein Elternteil nach bereits erfolgter anderweitiger Umgangsregelung ein Wechselmodell an, orientiert sich der Prüfungsmaßstab an den strengen Regeln des § 1696 BGB und den dort im Interesse des Kindes vorgegebenen hohen Änderungsvoraussetzungen![63]
[61] BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = NJW 2017, 1815; ebenso OLG Dresden v. 19.1.2017 – 20 UF 853/16; dazu siehe Hennemann, NJW 2017, 1787 und die Stellungnahme des Vorstandes des Deutschen Familiengerichtstages in FamRZ 2017, 584 = FF 2017, 182; ausführlich zur Anordnung eines Wechselmodells in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 1.2.2017; Helms/Schneider, FamRZ 2020, 813 und Lack, NJW 2021, 837; vgl. auch die Entscheidungen OLG Frankfurt v. 29.1.2020 – 2 UF 301/19, FamRZ 2020, 1181; OLG Frankfurt v. 23.2.2021 – 8 UF 188/20, FamRZ 2021, 948; OLG Dresden v. 19.2.2021 – 21 UF 32/21, FamRZ 2021, 691; KG v. 26.11.2020 – 16 UF 138/19, NJW 2021, 867; OLG Karlsruhe v. 16.12.2020 – 20 UF 56/20, FamRZ 2021, 688; OLG Bremen v. 20.8.2018 – 4 UF 57/18, FamRZ 2018, 1908.
[63] Clausius, FamRB 2017, 137.

II. Unterhaltspflichten beim echten Wechselmodell

1. Beide Eltern haften für den Barunterhalt

 

Rz. 50

Bei einem echten Wechselmodell wird kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit.[64] Denn die Vorschrift des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB passt nicht auf die Fallgestaltung des echten Wechselmodells und ist daher nicht anwendbar.[65]

Bei einem echten Wechselmodell haften wegen der paritätischen Betreuung des Kindes folglich beide Eltern für dessen Barunterhalt.[66]

2. Bemessung des Unterhaltsbedarfs des Kindes

 

Rz. 51

Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen,[67] so die Kosten für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern in den Wohnungen[68] der beiden Elternteile.[69] Daher liegt der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher als beim herkömmlichen Residenzmodell.[70]

[68] Zu den Wohnkosten siehe BGH v. 11.1.2017, FamRZ 2017, 437 = NJW 2017, 1676 mit Anm. Graba.
[69] Vgl. Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 2 Rn 449.

3. Verteilung der Haftung auf die Eltern

 

Rz. 52

Für den so ermittelten Bedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) müssen die Eltern anteilig aufkommen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Die Anteile der Eltern sind dabei unter Vorwegabzug des sogenannten angemessenen Selbstbehalts zu ermitteln.[71]

Weil zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Eltern beim Wechselmodell einen Teil des Unterhalts in Natur decken,[72] findet ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern typischerweise nur in Form einer den Tabellenunterhalt nicht erreichenden Ausgleichszahlung statt.[73] Die wechselseitigen Unterhaltsansprüche werden also saldiert. (siehe Berechnungsbeispiele unten)

 

Rz. 53

Macht bei einem echten W...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge