Rz. 109

Wechselt das Kind von einem Elternteil zu anderen, verliert der bisher betreuende Elternteil durch diesen Obhutswechsel im Fall gemeinsamer elterlicher Sorge die Befugnis aus § 1629 BGB, den Unterhalt für das minderjährige Kind geltend zu machen. Eine Vertretung durch den bisherigen Inhaber der Obhut ist nicht mehr zulässig.[135]

 

Rz. 110

Der Wegfall der Verfahrensstandschaft oder der alleinigen gesetzlichen Vertretung hat zur Folge, dass der bisher berechtigte Elternteil weder laufenden Unterhalt noch die bisher aufgelaufenen Unterhaltsrückstände mehr geltend machen kann.[136]

 

Rz. 111

 

Praxistipp:

Geschieht dies während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens, ist damit der von ihm gestellte Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt rückwirkend unzulässig geworden.[137] Er muss er die Erledigung des bisher von ihm betriebenen Verfahrens erklären,[138] um der Abweisung seines Zahlungsantrages zu entgehen. Diese Erklärung kann der bisherige Inhaber der elterlichen Obhut auch nach dem Entfall seiner Vertretungsbefugnis noch abgeben.[139]
Ob eine solche Erledigungserklärung auch noch in der Beschwerdeinstanz abgegeben werden, ist umstritten.[140]
 

Rz. 112

Auf der anderen Seite ist der Elternteil, der jetzt z.B. nach einem Aufenthaltswechsel die Obhut über gemeinsame minderjährige Kinder ausübt, auch berechtigt, die Kinder bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten, die aus der Zeit vor seiner Obhutsausübung herrühren.[141]

 

Rz. 113

Dem bisher betreuenden Elternteil kann gegen den anderen Elternteil hinsichtlich der "vorfinanzierten" Unterhaltsrückstände einen familienrechtlicher Ausgleichsanspruch geltend machen.[142] Umstritten ist aber, ob dies im gleichen Verfahren erfolgen kann. Materiell unterliegt dieser Anspruch anderen Voraussetzungen als der bisher verfolgte Unterhaltsanspruch. Folglich ist ein neuer, geänderter Sachvortrag erforderlich. Verfahrensrechtlich lehnt das OLG Hamm eine solche Änderung der Anspruchsbegründung jedenfalls in der Beschwerdeinstanz ab, weil damit der Gegenseite eine Tatsacheninstanz genommen würde.[143]

 

Rz. 114

 

Praxistipp:

Für den Elternteil, der bisher das Kind betreut hat, besteht jetzt eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit, da ihn jetzt § 1606 Abs. 3 S. 2 nicht mehr vor Barunterhaltsansprüchen des Kindes schützt.[144]
Dieser Elternteil kann sich jedoch – wie bei einem Verlust der Arbeitsstelle – noch auf eine angemessene Übergangsfrist berufen. Die Länge der Übergangsfrist (Orientierungs- und Bewerbungsfrist) hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; vielfach wird eine Frist von bis zu 6 Monaten akzeptiert.

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