Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 62
Die Rspr. geht allerdings nur dann von einer solchen Haftungsverteilung aus, wenn tatsächlich ein echtes paritätisches Wechselmodell vorliegt, also bei vollständig gleichwertigen Betreuungsanteilen der Eltern.
Rz. 63
Ein Residenzmodell liegt solange vor, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt.
Anders ist die Lage nur dann, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht.
Rz. 64
Hierzu müssen die Elternteile nicht nur annähernd gleichwertige zeitliche Anteile an der Betreuung haben, sondern auch die Verantwortung für die Sicherstellung einer Betreuung muss gleichermaßen bei beiden Eltern liegen. Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist Sachverhaltsfrage. Maßgeblich sind auch bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kindesbetreuung wie die Beschaffung von Kleidung und Schulutensilien sowie die Regelung der Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten wie Sport- oder Musikunterricht.
Rz. 65
Relevant ist insbesondere die Verlässlichkeit auf die verabredete Betreuung durch den jeweils anderen Elternteil, ob beide sich gleichwertig um die Belange des Kindes kümmern – speziell schulische, medizinische, sportliche und freizeitgestalterische Fragen und deren Organisation, das finanzielle Engagement beider Eltern, ob sie für Dritte wie beispielsweise Lehrer oder Ärzte als Ansprechpartner für das Kind zur Verfügung stehen und ob sie bereit sind, an der notwendigen Erziehung des Kindes mitzuwirken.
Rz. 66
Ergibt sich bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung eines Elternteils, so gilt die gesetzliche Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Rz. 67
Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt.
Rz. 68
Praxistipp:
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Behauptet ein Elternteil im gerichtlichen Unterhaltsverfahren ein Wechselmodell, ist folglich ausreichender Sachvortrag nicht nur zu den tatsächlichen Betreuungszeiten zwingend geboten, sondern auch zu den sonstigen Belangen der Kinderbetreuung. |
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Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Elternteil, der der Unterhalt für ein gemeinsames Kind verlangt und sich dazu auf die überwiegende Betreuung und seine Berechtigung aus § 1629 BGB zur Geltendmachung des Kindesunterhaltes beruft. |
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Nach der Rspr. des BGH ist in der Praxis in den wenigsten Fällen von einem echten Wechselmodell auszugehen, da regelmäßig selbst bei zeitlicher Parität eine unterschiedliche Verantwortung festzustellen sein wird. |
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Daher wird es i.d.R. darum gehen, ob der andere (barunterhaltspflichtige) Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts höhere finanziellen Aufwendungen hat, die ggf. zu einer Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle führen kann oder ob er Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt. Beides muss vom Unterhaltspflichtigen substantiiert dargelegt werden. |
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Besondere Kosten des – im normalen Umfang ausgeübten – Umgangsrechts (wie z.B. erhöhte Fahrtkosten) können ebenfalls unterhaltsrechtliche Bedeutung haben.
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Sie sind im gerichtlichen Verfahren aber nur dann Erfolg versprechend geltend zu machen, wenn sie ausreichend konkret dargetan sind und ggf. bewiesen werden. |
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Dazu müssen die einzelnen Kostenpositionen detailliert und nachvollziehbar dargelegt werden, zudem müssen auch Ausführungen zu der finanziellen Situation des Umgangsberechtigten gemacht werden. |
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Das Gericht kann diese Kosten aufgrund des vorgetragenen Sachverhaltes ggf. gem. § 287 ZPO schätzen. |
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Die Darlegungs- und Beweislast für die anfallenden Kosten trifft den Unterhaltsverpflichteten. |
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