Rz. 375
Mit einem Paukenschlag hat das BVerfG durch zwei Urteile der Vertragsfreiheit im Bereich der Eheverträge Grenzen aufgezeigt. In einem weiteren Judikat hat das BVerfG entschieden, dass die Familienarbeit der Erwerbsarbeit gleichzustellen sei. Aufgrund der Gleichstellung von Erwerbs- und Familienarbeit seien die Leistungen unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung als gleichwertig anzusehen. Dies bedinge einen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, und zwar dergestalt, dass dieser Anspruch auch nach Trennung und Scheidung Wirkung auf die Beziehung der Ehegatten hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens entfalte. Diese Linie hat das BVerfG mit einer Entscheidung zur Härteklausel des Versorgungsausgleichs bestätigt.
Hinweis
Das BVerfG hat eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen implementiert, die bei der Gestaltung von Eheverträgen berücksichtigt werden muss. Sie hat Auswirkungen auf alle Bereiche ehevertraglicher Vereinbarungen.
Rz. 376
Der BGH hat in einer ganzen Reihe von Urteilen die rechtlichen Anforderungen an Eheverträge im Zuge der Inhaltskontrolle von Eheverträgen herausgearbeitet und so den Kautelarjuristen quasi einen Leitfaden an die Hand gegeben.
a) Grds. Dispositionsfreiheit der Ehegatten und ihre Grenzen
Rz. 377
Nach einem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2004 unterliegen die gesetzlichen Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinn und den Versorgungsausgleich grds. der vertraglichen Dispositionsfreiheit. Der BGH betont, es gelte grds. die Ehevertragsfreiheit, die ihre Grenze erst dort finde, wo die Vereinbarung den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung unterlaufe.
Hinweis
Die Ehevertragsfreiheit hat weiterhin Bestand, wenn auch mit bestimmten Schranken, die sich insb. auf den Kernbereich der Scheidungsfolgenregelungen beziehen.
Rz. 378
Das BGB verzichtet in §§ 1353, 1356 BGB bewusst auf ein gesetzliches Leitbild der Ehe und kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen. Damit können die Ehegatten in eigener Verantwortung über die Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft und damit insb. über die Rollenverteilung hinsichtlich Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Kindererziehung entscheiden.
Das Scheidungsfolgenrecht hingegen bezieht sich nach wie vor auf einen bestimmten Ehetyp, vorwiegend die Hausfrauenehe. Es bedarf daher nach Ansicht des BGH zwingend der Vertragsfreiheit, damit die Ehegatten diese Scheidungsfolgen ihrem gelebten Ehetyp anpassen können. Ansonsten würde den Ehegatten die Freiheit der Ehegestaltung genommen. Das Verlangen nach Abänderung der Scheidungsfolgen im Hinblick auf eine Anpassung an die gelebte Ehekonstellation ist daher zulässig. Die im BGB ausdrücklich geregelten Möglichkeiten zur ehevertraglichen Anpassung der gesetzlichen Scheidungsfolgen in § 1585c BGB für das Unterhaltsrecht, § 1408 Abs. 1 BGB für das Güterrecht und §§ 6 ff. VersAusglG für den Versorgungsausgleich zeigen, dass das Scheidungsfolgenrecht gerade kein zwingendes, der Parteidisposition entzogenes Recht darstellt.
Rz. 379
Grenze der zulässigen Regelung ist eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung, die für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint. Für die Beurteilung dieser Frage bedarf es einer Gesamtbetrachtung der Vereinbarung, der Gründe für ihren Abschluss, der Umstände ihres Zustandekommens und der geplanten und umgesetzten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse.
Wer also gehofft hatte, dass sich mit dem Urteil des BGH ein "Ehevertragsmodell" als das haltbare und statthafte herauskristallisiert, der wird enttäuscht sein. Aber es wurden wichtige Maßstäbe gesetzt, die mittlerweile in einer ganzen Reihe von Folgeentscheidungen ausdifferenziert worden sind.
Hinweis
Die BGH-Rspr. zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen setzt wichtige Maßstäbe. Eine allgemeingültige Aussage zur Wirksamkeit von Eheverträgen enthält sie jedoch nicht.
Rz. 380
Die Belange des durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten bedürfen einer genaueren Prüfung, je mehr die vertragliche Regelung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (sog. Kernbereichslehre). Auf der ersten Stufe des Kernbereichs steht der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, auf der zweiten Stufe der Unterhalt wegen Alters oder Krankheit sowie der Versorgungsausgleich. Danach rangieren der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wegen Alters- oder Krankenvorsorge sowie der Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt. An letzter Stelle steht sodann der Zugewinnausgleich. Der Vertrag ist i.R. einer zweistufigen Inhaltskontrolle zunächst einer Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB und sodann einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu unterziehen.
Rz. 381
Die Entscheidungen vom 6.10.2004,